Im Porträt: Sabine Lisicki : Fräuleinwunder – made in USA
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Turniersiegerin Sabine Lisicki: so hoch wie nie in der Weltrangliste Bild:
Bei den Australian Open im vorigen Jahr sprach Sabine Lisicki erstmals freimütig davon, „die Nummer eins der Welt“ werden zu wollen. Das allgemeine Erstaunen von damals hat sich gewandelt zu enormem Respekt vor der schlagfertigen Deutschen. Jetzt hat sie in Charleston ihr erstes Turnier gewonnen.
Als Sabine Lisicki den größten Erfolg in ihrer jungen Profikarriere vor Augen hatte, ließ ihr Tempo plötzlich nach. Die Tennisspielerin, die ihre Gegnerinnen eine Woche lang mit wuchtigen Schlägen zur Verzweiflung getrieben hatte, schien es in ihrem zweiten WTA-Endspiel einfach nicht zu schaffen, bei eigenem Service einen Matchball zu verwandeln. Nach fünf verpassten Gelegenheiten wurde die Lage umso kniffliger, als ihre Gegnerin Caroline Wozniacki Chancen hatte, zum 5:5 auszugleichen.

Redakteur im Ressort „Geld & Mehr“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Dann endlich, beim sechsten Matchball, gelang der 19 Jahre alten Berlinerin der Befreiungsschlag: Sie besiegte die Dänin 6:2 und 6:4 und holte beim amerikanischen Sandplatzturnier in Charleston ihren ersten Titel auf der WTA-Tour. „Ich wusste gar nicht mehr, der wievielte Matchball es war“, sagte Sabine Lisicki. „Der siebte? Der achte? Angefühlt hat es sich wie der dreißigste.“
Die Siegermentalität von Bolletieri
Auf Sabine Lisickis zwei Freudenhüpfer am Sonntag folgte tags darauf ein großer Satz nach vorne: Sie verbesserte sich in der Weltrangliste um zwanzig Plätze auf Rang 43 – so hoch war sie noch nie notiert. „Es hat sich ausgezahlt, dass ich in den letzten Monaten so hart gearbeitet habe“, sagte die Berlinerin, die in der Saisonvorbereitung vor allem ihre Fitness verbesserte. An ihrem Erfolg überrascht nur der frühe Zeitpunkt, vom Talent her ist der Teenager „eine Top-Ten-Spielerin“, wie die deutsche Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner sagt.
Sabine Lisickis plötzlicher Karrieresprung erscheint wie ein deutsches Fräuleinwunder made in USA. Seit sechs Jahren trainiert die Berlinerin, die auf der Tour von ihrem Vater Richard begleitet wird, in Florida an der Tennisakademie von Nick Bollettieri. Dort hat sie sich nicht nur ihr kompromissloses Hochgeschwindigkeits-Tennis angeeignet, sondern auch ihre Siegermentalität.
„Eine kleine Rampensau“
Bei den Australian Open im vorigen Jahr sprach sie erstmals freimütig davon, „die Nummer eins der Welt“ werden zu wollen. Das allgemeine Erstaunen von damals hat sich gewandelt zu enormen Respekt vor der schlagfertigen Deutschen. In Charleston servierte Sabine Lisicki 36 Asse (davon neun im Finale) und blieb ohne Satzverlust, was verblüffend war angesichts Gegnerinnen wie Wimbledonsiegerin Venus Williams und Marion Bartoli, Wimbledon-Finalistin von 2007.
„Ich habe gewusst, dass ich solche Spielerinnen schlagen kann“, sagte die Berlinerin, „jetzt bin ich auch reif genug, Turniere zu gewinnen.“ Auch für den Deutschen Tennis Bund kommt der Erfolg seiner neuen Vorzeigedame zum denkbar günstigsten Zeitpunkt, wird sie sich doch nun zwei Wochen lang dem heimischen Publikum präsentieren. Am kommenden Wochenende kämpft Sabine Lisicki mit ihrer Fed-Cup-Kollegin Anna-Lena Grönefeld in Frankfurt gegen China um den Aufstieg in die Weltgruppe I, direkt danach reisen die beiden weiter nach Stuttgart, um beim hochkarätig besetzten WTA-Turnier aufzuschlagen. „Sabine freut sich darauf, sich in Deutschland zu präsentieren“, sagt Barbara Rittner, „sie ist eine kleine Rampensau.“