Besondere Nachricht bei WM : „Er hat Freudentränen geweint“
- -Aktualisiert am
Niklas Wellen erfährt beim WM-Spiel von seinem Sohn. Bild: dpa
Niklas Wellen spielt in Indien das Hockeyspiel seines Lebens. Nicht, weil er ein WM-Tor erzielt, sondern weil er während des Spiels eine Nachricht aus der Heimat bekommt. Von seiner Freundin.
Das Stadion hatte sich schon geleert, der Schweiß in den Trikots war nach einem hochintensiven Duell noch nicht getrocknet, als die deutschen Hockeyherren einen der ihren umringten, der gar nicht zu wissen schien, wie ihm geschieht. In einem in den sozialen Medien verbreiteten Clip ist zu sehen, wie Niklas Wellen auf dem Kunstrasen mit seinen Gefühlen kämpft. Wie er von den Kollegen liebevolle Stupser und Schubser kassiert und von Kapitän Mats Grambusch sogar ein Küsschen. Wie Applaus aufbrandet.
Wellen war nach dem 2:2 gegen Olympiasieger Belgien am Dienstagabend bei der Weltmeisterschaft als „Spieler des Spiels“ ausgezeichnet worden. Was aber nichts zur Sache tat, weil es vielmehr das Spiel seines Lebens gewesen ist. Emotionaler jedenfalls kann es nicht mehr werden.
Vaterfreude in der Ferne
Wellen hatte lange mit sich gerungen, ob er an diesem Championat in Indien teilnehmen sollte. Er, die Führungskraft, der wuchtige und technisch starke Torjäger, der eminent wichtige Spieler für die deutsche Auswahl, der 2022 bei der Wahl zum Welthockeyspieler des Jahres Rang vier erreichte. Der 28-Jährige wusste, dass die Geburt seines ersten Kindes genau in seine WM-Abwesenheit fallen würde – und entschied sich für das Team. Für den Plan, das deutsche Herrenhockey nach langer Titelflaute zurück zu einstiger Größe zu führen. Und nicht zuletzt auch für die Chance, seiner Karriere bei seiner wohl letzten Weltmeisterschaft einen Goldrand zu verpassen.
Sicher ist schon nach dem zweiten Gruppenspiel: Er wird jene Stunden am Dienstagabend in Bhubaneswar nicht vergessen. „Niklas war während der Halbzeit nicht bei der Mannschaft, weil er Freudentränen geweint hat“, berichtete Bundestrainer André Henning. „Es war ein sehr emotionaler Tag für uns alle.“ Wellen hatte schon vor Anpfiff die frohe Kunde der Geburt aus der Heimat bekommen, konnte die Nachricht aber wegen mangelnden Handyempfangs nicht öffnen.
Während der ersten schwächeren Spielhälfte erzielte Wellen mit einem satten Schuss aus spitzem Winkel den 1:1-Ausgleichstreffer. In der Halbzeitpause sah er dann die ersten Bilder seines neugeborenen Sohnes. Nach Wiederanpfiff spielte er in einem enorm verbesserten Team weiter stark, erarbeitete sich Torchancen, verfehlte das Ziel nur knapp. Nach Schlusspfiff war der Krefelder endgültig im Gefühlschaos angekommen. „Es ist eine großartige Geschichte, die viel wichtiger als das Spiel ist“, sagte Henning.
Nachdem Wellens Partnerin daheim am Niederrhein ein gesundes Kind auf die Welt gebracht hatte, war auch in Nordamerika bei einem anderen deutschen Extrakönner am Schläger die Freude groß. Der deutsche Eishockeystar Leon Draisaitl vom NHL-Klub Edmonton Oilers ist Onkel geworden. Denn dessen Schwester Kim ist Niklas Wellens Freundin.
Der Stürmer ist unlängst nach zwei Jahren in der niederländischen Eliteliga in Amsterdam, wo er auch seinen Master in Wirtschaftsingenieurwesen machte und erste Berufserfahrung sammelte, zu seinem Heimatverein Crefelder HTC zurückgekehrt. Dabei ist der CHTC weit mehr als nur Heimatverein für die Familie Wellen. Niklas’ Großvater war einst Vorsitzender, sein Vater Dirk ist es aktuell und dazu Vorsitzender des Ligaverbandes. Das Familienunternehmen Rondo Food ist auch ein wichtiger Hockey-Finanzier für den Klub und darüber hinaus. Dirk Wellen ist in den deutschen Altersklassen-Nationalmannschaften schon Weltmeister geworden. Diesen Titel hat er Niklas, der 2016 Olympiabronze gewann, also voraus.
Für Niklas Wellen und Kollegen geht es an diesem Freitag im abschließenden Gruppenspiel gegen Südkorea im Fernduell gegen Belgien um den direkten Viertelfinaleinzug. Sonst winkt der deutschen Auswahl noch eine Partie in der sogenannten „Crossover-Runde“. Also ein Spiel mehr während einer WM, die für Wellen das Turnier seines Lebens werden soll.