Hockey-Weltmeister Deutschland : Das Wintermärchen des Jean-Paul Danneberg
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Kaum zu fassen: Deutschland ist Hockey-Weltmeister – und Ersatztorhüter Danneberg wird von Stadler auf Händen getragen. Bild: dpa
Mit „null Druck“ auf den Gipfel: Im Shootout wächst der erst 21 Jahre alte Darmstädter Torhüter Jean-Paul Danneberg über sich hinaus und macht Deutschland zum Hockey-Weltmeister.
Seine reflexhafte Parade hatte Deutschland zwar gerade den Weltmeistertitel beschert. Aber dass der Coup tatsächlich geschafft, das Wintermärchen geschrieben, alle Hoffnungen sich tatsächlich erfüllt hatten, das bekam Jean-Paul Danneberg am Sonntag erst einen Augenblick später mit als die Kollegen. Nämlich als schier der ganze deutsche Hockey-Tross mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu rannte und selbst er, der 1,96-Meter-Hüne samt Torwartausrüstung, in einem Jubelsturm unterzugehen drohte.
„Ich war mir nicht ganz sicher, ob wir jetzt gewonnen haben“, sagte der Darmstädter gegenüber der ARD. „Ich war so im Tunnel und habe nichts an mich herangelassen.“ Und im finalen Shootout um Gold auch nur wenig durchgelassen. Drei der sieben nötig gewordenen Penaltys der belgischen Weltklassespieler entschärfte Danneberg – dann war es geschafft: 5:4-Sieg (3:3 stand es nach regulärer Spielzeit), der dritte WM-Titel für den Deutschen Hockey-Bund (DHB) nach 2002 und 2006. Dannebergs erstes großes Turnier hielt gleich den Hauptpreis für ihn bereit. Für ihn, der das Championat als Nebendarsteller und Ersatzmann begann und als Matchwinner in Viertelfinale und Endspiel beendete.
Danneberg sonst nur Nummer zwei
Für die Weltmeisterschaft in Ostindien galt die Verabredung, dass, wenn es zum Penaltyschießen kommt, Stammtorhüter Alexander Stadler das Tor zugunsten von Danneberg räumt. Die Rolle als Mann für die speziellen, nervenaufreibenden Momente in finalen Eins-gegen-Eins-Situationen füllte er mit seinen gerade mal 21 Jahren famos aus. Erst in der Runde der letzten Acht, als er zwei Anläufe der Engländer parierte. Was aber nur ein Vorgeschmack sein sollte auf seinen großen Auftritt im Endspiel.
Grundsätzlich mache man sich als Torhüter, wenn am Ende so vieles von einem abhänge, „richtig viel Druck“, sagte Danneberg, der sein Hand- und Fußwerk beim heimischen TEC Darmstadt erlernte und unlängst für ein paar Spiele dort im Kampf gegen den Abstieg aus der dritten Liga aushalf. „Man kriegt richtig Puls, wenn man sich ausmalt, wie das Shootout ablaufen wird.“ Nur im größten Moment seiner jungen Karriere war das anders. „Es war unglaublich: Ich habe null Druck gespürt. Ich weiß nicht, woran das lag“, erzählte er.
Vielleicht spielte eine Rolle, dass er auf dem blauen Kunstrasen des großen Hockeystadions von Bhubaneswar schon mal in gleicher Rolle brilliert hatte. Bei der U-21-WM 2021 kam er im Halbfinale wieder für das Shootout zum Zuge – und führte die DHB-Auswahl als „Penalty-Killer“ ins Endspiel. Bei der U-21-EM im vorigen Jahr wurde er, dann als Nummer eins im deutschen Tor, als bester Torhüter des Turniers ausgezeichnet.
Danneberg wuchs in einem sportbegeisterten Haushalt – seine Mutter war Leistungsschwimmerin, sein Vater ist Sportorthopäde – mit zwei weiteren hockeybegabten Geschwistern auf. Seine Schwester Josefine war deutsche Meisterin im Juniorinnenbereich, sein wenige Minuten jüngerer Zwillingsbruder schaffte es in die Juniorennationalmannschaft. Torhüter sei er einst nur geworden, weil er keine Lust hatte, so viel zu rennen. Dafür wurde er ein Schlussmann, der trotz seiner Größe enorm schnell und beweglich ist. Der im Nu im Spagat und dann wieder auf den Beinen ist. Der mit seiner ganzen Statur gegnerische Angreifer verängstigen kann.
Über welch Nerven- und Entscheidungsstärke Danneberg verfügt, zeigte er gegen die erfahrenen belgischen Schützen, die als amtierende Weltmeister und Olympiasieger ins Spiel gingen und nur noch Danneberg ihnen im Wege stand, eine goldene Ära zu prägen. „Ich habe das Vertrauen des ganzen Teams gespürt“, sagte der Südhesse, von Mannschaftskapitän Mats Grambusch geadelt als „unglaublicher Torwart“.
Mit Grambusch zusammen spielt Danneberg auch im Verein bei Rot-Weiß Köln. Nach einigen Jahren beim Topklub Mannheimer HC war er zum rheinischen Serienmeister gewechselt, der seit Jahren beständig die besten deutschen Spieler anzieht wegen der sportlichen Perspektiven und des großen Netzwerks mit Blick auf Studium und Jobeinstieg.
Dort allerdings muss er sich bislang als Nummer zwei zwischen den Pfosten einsortieren. Ausgerechnet der belgische Nationaltorhüter und Extrakönner Vincent Vanasch steht in der Hierarchie vor ihm. Danneberg: „Ich habe schon zu Beginn des Turniers gedacht: Es wäre ja witzig, wenn wir im Finale gegen Belgien spielten und Vincent und ich dann im Shootout gegeneinander. Mit diesem Gedanken habe ich das Turnier über gespielt.“ Und gewonnen.