Reit-Bundestrainer Melzer : Mit goldenem Blick
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Medaillensammler: Hans Melzer hört auf. Bild: dpa
In seinem letzten Championat als Bundestrainer der Vielseitigkeitsreiter freut sich Hans Melzer über EM-Silber mit der Mannschaft. Ende des Jahres tritt er ab und übergibt die Zügel.
Sein letztes Championat als Bundestrainer, die Europameisterschaften in Avenches, ist vorbei. Wieder gab es eine Medaille, die Silbermedaille mit der Mannschaft, die 34. Medaille in seiner Amtszeit bei Olympia, Welt- oder Europameisterschaften – eine imposante Leistung. Aber noch schaut Hans Melzer nicht mit der Entspanntheit des Ruheständlers auf die vergangenen 20 Jahre zurück, im Gegenteil, er steckt mittendrin in der Gegenwart.
„Man muss das sportlich nehmen“, sagte er angesichts des mit britischen Reiterinnen vollgepackten Podests in der Einzelwertung und ihrem überlegenen Titelgewinn mit der Equipe. „Tolles Team, das die Engländer haben“, sagte er ein bisschen gedämpft, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass seine Mannschaft – bis auf Ingrid Klimke mit Hale Bob – nicht in Topbesetzung in die Schweiz gereist war.
Melzer ließ keinen Zweifel daran, dass es sich bei dem Bild von Avenches seiner Meinung nach nur um eine Momentaufnahme handelte. Ende des Jahres tritt er ab und übergibt die Zügel an Peter Thomsen, der unter Melzer 2008 und 2012 Mannschafts-Olympiasieger wurde. „Ich übergebe Peter jetzt nicht TSG Hoffenheim“, sagte er in Avenches, „sondern er kriegt Bayern München, und die können auch gegen Chelsea und Liverpool gewinnen.“
Es ist wirklich ein bisschen wie in der Champions League: Die britischen Mannschaften sind der wichtigste Maßstab für die deutschen Reiter. Und das ganz besonders, weil sie alle den britischen Trainer Chris Bartle sehr gut kennen. Im Jahr 2000 – die Vielseitigkeitsreiterei war in Deutschland verpönt und im olympischen Programm gefährdet – übernahm Melzer den Posten des Bundestrainers zusammen mit Bartle, und die beiden entwickelten sich zu einem atemraubenden Erfolgsgespann.
Training systematisch modernisiert
Systematisch modernisierten sie das Training für Reiter und Pferde und bauten Talente auf. Schon bei den nächsten Spielen, 2004 in Athen, hätte den deutschen Reitern eigentlich doppeltes Gold gebührt. Es wurde ihnen aberkannt, obwohl der Wirrwarr, der bei Bettina Hoys Ritt im Parcours entstand, hauptsächlich auf das Fehlverhalten der Jury zurückzuführen war. Aber Melzer und Bartle erkannten bei aller Enttäuschung: Ihre Arbeit würde noch viele Früchte tragen. 2008 in Hongkong war es so weit: Gold für die Mannschaft, Gold im Einzel für Hinrich Romeike mit Marius.
Melzers schönster Erfolg? „Am Ende bleibt nach wie vor London“, sagte er. „In England Doppel-Gold und Bronze – das war sensationell.“ Michael Jung und Sam waren diesmal die Stars – wie auch vier Jahre später in Rio. Danach wechselte Bartle nach Großbritannien und wurde zu Melzers größtem Gegenspieler. Aber sie gehen die Aufgabe entspannt an und sind Freunde geblieben. Und die deutschen Reiter können sich immer noch bei ihrem einstigen Guru Rat holen. Dieses Jahr in Tokio feierte Bartle olympisches Mannschafts-Gold, und Melzer mit Julia Krajewski den Einzel-Sieg. Er hatte den Glauben an seine Reiterin trotz mehrerer Championats-Pannen nie aufgegeben. In Tokio schlug ihre goldene Stunde.
Melzer ist jetzt 70 Jahre alt, die Haare sind weiß, doch die hellen Augen sind jung geblieben. Der Ehrgeiz hat ihn auf Trab gehalten. Dazu kommen die Erdung und der Pragmatismus, den Pferdeleute nun einmal mitbringen, sein strukturiertes Denken und seine positive Art, auf Menschen zuzugehen. Er wird Trainer bleiben, zu Hause in Luhmühlen. Dort, wo traditionell das Herz der deutschen Vielseitigkeitsreiterei schlägt.