Füchse Berlin : Schock und Wiederkehr im Handball
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Alles wieder gut: Trainer Jaron Siewert und seine Füchse Bild: Imago
Den Füchsen Berlin gelingt gegen den THW Kiel mit einem 34:26 ein rauschhafter Sieg. Vor allem aber sind sie froh, dass ihr Trainer nach einem Schlaganfall wieder so fit ist.
Es sah aus, als spräche der Lehrling mit dem Meister, als Jaron Siewert am Sonntagnachmittag eine Stunde vor dem Anwurf aufmerksam lauschte, was ihm Filip Jicha zu sagen hatte. Man kann schon mal zuhören, wenn ein mehrfach gekrönter Kollege spricht. Jicha hat mit dem THW Kiel alle möglichen Titel geholt – Siewert liegt da deutlich im Rückstand. Was wiederum auch kein Wunder ist, wenn man 28 Jahre alt ist. Die bessere Antwort hatte am Ende des Spitzenspiels in der Handball-Bundesliga dann aber er: Seine Füchse nahmen Kiel beim rauschenden 34:26 im Stile eines Meisters auseinander und bescherten den Norddeutschen die erste Liga-Niederlage.
Hinter den Titelambitionen der Berliner steht nun das erste Ausrufezeichen. „Wir hatten eine Woche frei und konnten unsere Belastung besser managen“, sagte Siewert nüchtern, „die Saison ist noch lang, ich möchte von einem Fingerzeig nichts wissen. So gewinnt man nämlich nur eines von 1000 Spielen gegen den THW.“ Jicha sprach von einer Lehrstunde für seine junge und umformierte Mannschaft.
Siewert leidet an keinerlei Folgeerscheinungen
Dabei ist es eine erfreuliche Kunde, dass Siewert überhaupt wieder am Spielfeldrand steht und seiner Arbeit nachgeht, denn der junge Berliner Coach schockte mit der Nachricht seines Schlaganfalls am 11. August die gesamte Liga. Wie er berichtet, begann es seinerzeit im Trainingslager mit Kopfschmerzen, Schwindel und Taubheit. Später am Tag kamen Seh- und Sprachstörungen und Lähmungen hinzu. Siewert kam sofort ins Krankenhaus und wurde operiert. „Es ist ein bitteres Bangen bis zur OP“, sagte er dem „RBB“, „du fühlst dich im eigenen Körper gefangen und hoffst einfach nur, dass es dir hinterher besser geht.“
So war es zum Glück, dank der behandelnden Ärzte. Die Füchse-Granden Bob Hanning und Stefan Kretzschmar ließen ihre Beziehungen spielen und garantierten beste Versorgung. „Mich haben Top-Leute aus Deutschland operiert“, sagt Siewert, der schon vier Wochen nach dem Eingriff wieder auf der Bank saß. So wurde das 31:21 gegen den TVB Stuttgart am 10. September nicht nur ein überzeugender Sieg, sondern auch die erfreuliche Rückkehr des jüngsten Bundesliga-Coaches auf die Bank.
Der Grund für die Unterversorgung seines Hirns mit Sauerstoff soll gefunden und behoben worden sein. Siewert leidet an keinerlei Folgeerscheinungen: „Bei mir ist das kein Thema mehr und in der Mannschaft auch nicht“, sagt Siewert, und sein Vorgesetzter, Geschäftsführer Hanning, meinte: „Es ist völlig klar, dass wir Jaron alle Zeit gegeben haben, die er braucht und vielleicht noch brauchen wird.“ Fragt man seine Schützlinge, ist der erschreckende Moment aber noch sehr gegenwärtig: „Viele von uns kennen Jaron sehr lange“, sagt Kapitän Paul Drux, „wir waren erst mal alle absolut geschockt. Umso schöner, dass jetzt alles wieder gut ist.“
Ziemlich viel „gut“ war aus Sicht der Berliner Fans in der mit 9000 Personen voll besetzten Schmeling-Halle auch schon zur Halbzeit. Da führten die Füchse nach einer 30-Minuten-Gala 16:10. Vor allem der neue Star im Team, Mathias Gidsel (sechs Treffer), und Mijajlo Marsenic (neun Tore) am Kreis nahmen die Kieler scheinbar mühelos auseinander. Nach der Pause ließen die Berliner den Vorsprung auf acht Tore anwachsen; Kiel biss sich an der aggressiven Abwehr die Zähne aus und kassierte etliche Treffer ins leere Tore – das 7:6, das Trainer Jicha spielen lässt, ging nach hinten los. Nur vier Tage nach der Champions- League-Niederlage in Kielce kassierte der sichtlich müde Rekordmeister die ersten Minuspunkte.
An diesem Sonntag war gegen die pure Wucht der Füchse wenig auszurichten; was Jicha auch probierte, Siewerts Team hatte die bessere Antwort und in Gidsel und Marsenic die überragenden Akteure des lauten und stimmungsvollen Nachmittags – und wenn mal etwas durchkam, hielt Dejan Milosavljev entscheidende Würfe.
Gidsel sorgte mit seinen schlangenartigen Bewegungen für reichlich Bewegung in der Kieler Abwehr; oftmals endeten die THW-Abwehraktionen gegen ihn in einer Zwei-Minuten-Zeitstrafe (insgesamt acht). Früh belastet und durch einen Wechselfehler geschwächt, liefen die Kieler ständig einem Rückstand hinterher, der schon beim 4:9 in der 15. Minute recht groß war.
Selbst der Wechsel im Tor von Niklas Landin zu Tomas Mrkva brachte nichts mehr. Sehr zur Freude von Füchse-Kapitän Paul Drux: „Wir haben so oft in Kiel gegen eine solche Kulisse verloren. Es ist einfach genial, wie das heute für uns gelaufen ist“, sagte er. Die Meisterschaft? „Das ist unser Anspruch dieses Jahr“, antwortete Drux, „wir haben den Kader dafür.“ Dann schwärmte er noch eine Weile von den Qualitäten Mathias Gidsels.