Grundschulstudie : Sport macht Kinder fit und schlauer
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Schule in Bewegung: Forderung nach einer täglichen Sportstunde Bild: Hagmann; Roger
Wissenschaftler haben mehr als 2800 Grundschulkinder über einen längeren Zeitraum beobachtet. Resultat: „Täglicher Schulsport macht Kinder nicht nur fit, sondern auch schlauer.“ Umgekehrt gilt: Ohne Bewegung macht Schule dick.
Natürlich hat Felix Magath Kinder, die Sport treiben, Tennis und Fußball etwa. Aber bei den Kleinigkeiten wird sogar in der Familie eines berühmten Fußball-Lehrers mitunter gesündigt. Leider gebe es auch im Hause Magath „die Tendenz, die Kinder zur Schule zu fahren“, sagt der Cheftrainer des FC Schalke 04. „Wir versuchen unsere Kinder anzuleiten, das Fahrrad zu nehmen, aber da sind wir nicht so konsequent.“
Der Anlass für diesen kleinen Einblick in das Privatleben war ein öffentlicher Auftritt abseits der großen Bühne Bundesliga. Jüngst präsentierte Magath eine Studie, die der Verein „Klasse in Sport“ in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthochschule Köln vorgelegt hat. Die Ergebnisse lassen sich zugespitzt zu einer nicht ganz überraschenden Erkenntnis zusammenfassen: „Täglicher Schulsport macht Kinder nicht nur fit, sondern auch schlauer.“ Umgekehrt gilt: Wenn die Bewegung zu kurz kommt, „macht Schule dick“. Die Leistungsfähigkeit bei Kindern im Grundschulalter habe „gegenüber den letzten größeren Untersuchungen schon wieder abgenommen, teilweise um bis zu zehn Prozent. Kinder werden immer unsportlicher.“
Einerseits ausgepowert, andererseits konzentrationsfähiger
Die Kölner Wissenschaftler haben mehr als 2800 Grundschulkinder über einen längeren Zeitraum beobachtet, manche von ihnen vom ersten bis zum vierten Schuljahr. Laut der Studie haben schon im ersten Schuljahr 15 Prozent der Kinder Übergewicht, die Zahl steige linear an auf 26 Prozent im vierten Schuljahr. Erhöhter Blutdruck sei eine weitere Folge von Bewegungsmangel schon im Kindesalter. Zudem wurde nachgewiesen, dass täglicher Schulsport sich auch auf die sogenannte kognitive Leistungsfähigkeit von Kindern auswirkt, also Fortschritte in Fächern wie Deutsch oder Mathematik ermöglicht.
Diese Erfahrung hat Corinna Roll in der Praxis gemacht. Sie leitet die Astrid-Lindgren-Grundschule in Köln, eine von 42 Schulen, die der Verein „Klasse in Sport“ unterstützt. Ob Turnen, Seilspringen, Torschusstraining oder einfach Hula-Hoop in der Pause: Nach sportlicher Betätigung kämen die Kinder mit roten Bäckchen in den Klassenraum zurück, seien einerseits ausgepowert, andererseits konzentrationsfähiger als vorher, sagt Corinna Roll. Die Kinder hätten „keine Zeit mehr, sich zu streiten“, und nicht mehr genug Kraft, ihre Aggressionen auszuleben. „Sie sind viel ruhiger im Unterricht, viel motivierter und ausgeglichener bei den Hausaufgaben.“ Die Motivation zum Lernen steigt offenbar infolge körperlicher Ertüchtigung, besonders wenn sich auch noch (sportlicher) Erfolg einstellt. Vor der Teilnahme an „Klasse in Sport“ wussten Corinna Roll und ihre Kollegen „gar nicht, wie Basketball richtig geht, jetzt sind wir Stadtmeister“.
Sorgen bereiten „Defizite in der Koordination“
Auch Magath betont die Funktion des Schulsports. Sogar als Bundesligatrainer bekomme man vor Augen geführt, was bei manchem früh versäumt wurde. Sorgen bereiten ihm etwa „Defizite in der Koordination“, die er bei Berufsfußballspielern immer wieder beobachte. Mancher Profi bekomme „Schwindelgefühle, wenn er nacheinander zwei Purzelbäume schlagen soll“, wie es einst im Sportunterricht selbstverständlich war. „Da ist etwas schiefgelaufen“, sagt Magath, in der Turnhalle, auf dem Schulhof oder auch bei der Ernährung.
So hilfreich die Erkenntnisse von Wissenschaftlern und Pädagogen sein mögen: In der Praxis sind sie nur dann von Nutzen, wenn der Sportunterricht auch stattfindet und von qualifizierten Kräften erteilt wird. Das ist oft nicht der Fall. Kein Fach fällt an deutschen Grundschulen so häufig aus wie Sport. „Fünfzig Prozent des Schulsports werden von nicht ausgebildeten Sportlehrkräften erteilt, das ist untragbar“, kritisiert die Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft in einem aktuellen „Memorandum zum Schulsport“. Die Wissenschaftler erneuern „die seit über dreißig Jahren bestehende Forderung nach einer täglichen Sportstunde“. An den Kindern soll es nicht liegen. Siebzig Prozent der Jungen und die Hälfte der Mädchen nennen Sport als Lieblingsfach.