Tischtennis-Spieler Ovtcharov : Frage der Psychologie
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Gewappnet für Duelle mit den Chinesen: Dimitrij Ovtcharov im Duell mit Ma Long. Bild: dpa
Dimitrij Ovtcharov gelingt trotz der Halbfinal-Niederlage gegen Ma Long ein großer Schritt nach vorne: Bei den German Open in Magdeburg schlägt er erstmals den Weltranglistenersten Fan Zhendong.
Das Ende war ein bisschen ernüchternd. Drei Tage lang war Tischtennis-Nationalspieler Dimitrij Ovtcharov bei den German Open in Magdeburg von Sieg zu Sieg geeilt, hatte nach Erfolgen über Lim Junghoon (Südkorea) und Chuang Chih-Yuan (Taiwan) im Viertelfinale in einer mitreißenden Partie sogar den chinesischen Weltranglistenersten Fan Zhendong niedergekämpft, doch seinen Angstgegner Ma Long konnte der 31-Jährige auch diesmal nicht bezwingen. Der Weltmeister und Olympiasieger behauptete sich im Halbfinale gegen Ovtcharov mit 4:2 Sätzen und verlor später das Finale gegen seinen Landsmann Xu Xin.
Die Spiele des erfolgreichsten deutschen Starters bei diesen German Open – Timo Boll hatte im Achtelfinale gegen Fan Zhendong verloren, Patrick Franziska schon in der ersten Runde gegen den Japaner Mizuki Oikawa – verdeutlichten, welch große Rolle die Psychologie und mentale Stärke beim Tischtennis spielen. Wenn Dimitrij Ovtcharov gegen Weltmeister Ma Long antritt, dann muss er auch verdrängen, dass er bislang alle 14 Vergleiche mit dem 30-jährigen Chinesen verloren hat. Diese erdrückende Bilanz, sagt Ovtcharovs Vater Mikhail, habe sein Sohn schon im Kopf. Immerhin leistete der Außenseiter diesmal sechs Sätze lang harten Widerstand und war trotz der Niederlage nicht unzufrieden. „Ich habe gezeigt, dass ich an den Sieg gegen ihn glaube“, sagte Ovtcharov. Und mit Blick auf die bevorstehende Mannschafts-WM in Busan (Südkorea) Ende März sowie die Olympischen Spiele in Tokio fügte er an: „Vielleicht kommt das allerwichtigste Spiel gegen ihn noch dieses Jahr.“
Ovtcharov beeindruckt
Für Ovtcharov waren diese German Open trotz der Niederlage gegen Ma Long jedenfalls ein großer Schritt nach vorn, denn mit dem 4:3 gegen Fan Zhendong endete eine mehr als zweijährige Durststrecke. Danach hatte es lange nicht ausgesehen. Obwohl Ovtcharov herausragend gespielt und über weite Strecken geführt hatte, lag er 1:3 zurück. In der Stunde der Not betätigte sich Herren-Bundestrainer Jörg Roßkopf als Psychologe: Er lenkte Ovtcharovs Blick auf dessen Gegner. Er solle den Chinesen doch mal anschauen, forderte Roßkopf seinen Spieler vor Beginn des fünften Durchgangs auf. „Ich habe ihm gesagt, der sieht jetzt nicht aus, als ob er dieses Spiel gewinnen würde.“
Tatsächlich strahlte Fan Zhendong kein Selbstvertrauen aus, trotz seiner Führung. Die Leistung Ovtcharovs hatte ihn sichtlich beeindruckt, der 31-jährige Deutsche hatte über weite Strecken atemraubend gut gespielt. Beide Konkurrenten wussten auch, dass Ovtcharov schon mal gegen Fan Zhendong gewonnen hatte, ausgerechnet bei den letzten German Open, die zuvor in Magdeburg stattgefunden hatten, im November 2017. Damals hatte der Deutsche das Turnier gewonnen, und im Januar 2018 war Ovtcharov zur Nummer eins der Weltrangliste aufgestiegen. Dann aber folgten verletzungsbedingte Pausen und ein Formabfall. Im Jahr 2018 gewann der World-Cup-Sieger von 2017 und Olympiadritte von 2012 kein Turnier und 2019 nur das europäische Ranglistenturnier Europe Top 12. Und in dieser Ausgangslage sollte er jetzt daran glauben, dass sein Gegner, die Nummer eins der Welt, bei 3:1-Führung am Sieg zweifelt? Doch Roßkopfs Appell wirkte. Ovtcharov wehrte im fünften Satz bei 7:10 drei Matchbälle ab und holte sich mit mutigen und enorm druckvollen Schlägen den 4:3-Sieg.
Sieben Wochen vor Beginn der Team-WM war dies eine Ermutigung, dass die Deutschen den Chinesen durchaus gefährlich werden können, wenn alles passt. „Natürlich zeigt das meiner Mannschaft und mir, dass da vieles geht“, sagte Roßkopf, „aber vor allem ist es ein Sieg, der Dima viel Selbstvertrauen gibt.“ Für Ovtcharov war es eine Erlösung. Er habe auch 2019 gegen einige der Chinesen sehr gut gespielt und zahlreiche Matchbälle gehabt, diese aber nie nutzen können. „Am Ende geht‘s darum, diesen einen Punkt mehr zu holen – und dass ich das hier geschafft habe, tut mir sehr, sehr gut.“