Basketball : Trainer als Symbol europäischer Emanzipation
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Spektakel: Die Basketball-Bundesliga wird dank europäischer Trainer besser Bild: Picture-Alliance
Trainer aus dem Mutterland waren mal in der Überzahl in der Basketball-Bundesliga. Mittlerweile verdrängen die Europäer die Amerikaner mehr und mehr aus den Jobs – zum Nutzen des Sports.
Amerikanische Trainer haben die Entwicklung des Basketballs in Deutschland über Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt. Als die Bundesliga 2006/2007 erstmals im aktuellen Format mit 18 Mannschaften an den Start ging, kamen noch sieben Coaches aus dem Mutterland des Sports. Mittlerweile ist John Patrick von den MHP Riesen Ludwigsburg der einzige Übungsleiter mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, und mit dem Kanadier Gordon Herbert, der die Fraport Skyliners aus Frankfurt trainiert, gibt es nur noch einen weiteren Trainer, der ebenfalls aus Nordamerika stammt. Beide bestreiten bereits ihre zehnte Saison in der Bundesliga und haben sich durch ihre gute Arbeit längst einen Namen gemacht. An diesem Sonntag (17.30 Uhr) treffen beide in Frankfurt aufeinander. Nicht auf dem Feld stehen wird dabei Ludwigsburgs Nationalspieler Johannes Thiemann, der sich am vergangenen Freitag einen Sehnenabriss im rechten Oberschenkel zugezogen hat und für den Rest der Saison ausfallen wird.
Die Zeiten, in denen ein amerikanischer Coach auf einen Job hoffen konnte, weil die Entscheidungsträger in den Klubs davon ausgegangen sind, dass ein Amerikaner per se ein großer Basketball-Experte sein müsse, gehören längst der Vergangenheit an. Der deutsche und der europäische Basketball haben sich emanzipiert. Das zeigen auch die Pfade, die die talentiertesten Spieler mittlerweile beschreiten. Detlef Schrempf, der erste deutsche Star in der NBA, spielte von 1980 bis 1985 an der High School und am College in den Vereinigten Staaten, bevor er in der Profiliga anheuerte. Zum damaligen Zeitpunkt schien die NBA für Europäer nur auf diesem Weg erreichbar.
Ausbildung in Deutschland besser
Aktuell spielen in der NBA mit Dirk Nowitzki, Dennis Schröder, Paul Zipser, Daniel Theis und Maximilian Kleber fünf Deutsche, die alle ohne Amerika-Erfahrung in die beste Liga der Welt gewechselt sind. Mittlerweile wird jungen Spielern sogar davon abgeraten, ans College zu wechseln. Die Ausbildung hierzulande gilt als erfolgversprechender, weil Talente vielseitiger ausgebildet werden und nicht zu früh in Rollen gepresst werden. Viele größere Europäer werden an Colleges als Power Forwards oder Center eingesetzt, obwohl sie technisch alle Fertigkeiten für die Außenpositionen mitbringen.
Das gewachsene Selbstbewusstsein des europäischen Basketballs ist auch in der Bundesliga spürbar. Während viele Jahre lang die europäischen Trainer fast ausschließlich aus dem ehemaligen Jugoslawien stammten, findet man mittlerweile eine buntere Mischung vor. Zudem haben mit dem Italiener Andrea Trinchieri (Brose Bamberg), dem Serben Aleksandar Djordjevic (Bayern München) und dem Spanier Aíto García Reneses (Alba Berlin) drei renommierte Coaches aus traditionellen Basketball-Ländern ihren Weg zu den deutschen Spitzenklubs gefunden.
Der charismatische Trinchieri hat drei Meistertitel in Folge gewonnen und dabei in der vergangenen Saison den vielleicht schönsten Basketball in Europa spielen lassen. In den vergangenen beiden Jahren fiel sein Name fast immer, wenn ein Topklub in Europa auf Trainersuche war. Djordjevic, der als Spieler eine Legende war, hat als Nationaltrainer Serbiens eine olympische Silbermedaille und einen zweiten Platz bei Weltmeisterschaften vorzuweisen. Noch beeindruckender fällt die Titelsammlung des 71-jährigen Aíto aus, der erstmals außerhalb Spaniens arbeitet: neun Meisterschaften in seinem Heimatland, fünf europäische Trophäen und Olympiasilber.
Das Coaching des gebürtigen Madrilenen hat sich immer durch eine fast perfekte Balance von sportlichem Erfolg und herausragender Talentförderung ausgezeichnet. So gingen Juan Carlos Navarro, Pau Gasol, Ricky Rubio und Kristaps Porzingis durch seine Hände, bevor sie das NBA-Parkett betraten.
Tendenz geht weiter zu Europa
Aber es gibt auch erfolgreiche „Exoten“. So etabliert der Österreicher Raoul Korner Bayreuth in der Ligaspitze, nachdem er zuvor drei Jahre überzeugend in Braunschweig gearbeitet hat. Der Niederländer Johan Roijakkers schafft es, seit dem Aufstieg 2014 die BG Göttingen mit einem Mini-Etat in der Bundesliga zu halten.
Die Hälfte der Bundesligatrainer hat einen deutschen Pass. Besonders im Blickpunkt stehen Thorsten Leibenath und Dirk Bauermann. Leibenath hat es in Ulm verstanden, ein Spitzenteam zu formen, und wurde dafür auch zwei Mal als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Bauermann, mit neun Meistertiteln der erfolgreichste deutsche Basketballlehrer, kehrte nach mehreren Jahren im Ausland Ende 2016 in die Bundesliga zurück und soll mit Würzburg in die Phalanx der Topteams eindringen. Der Trainertyp, der heutzutage in der Bundesliga gefragt ist, steht für Nachhaltigkeit und die individuelle Weiterentwicklung von Spielern – und diese Qualitäten sieht man bei den Klubs derzeit offensichtlich eher bei europäischen als bei amerikanischen Coaches.