Skandale im Schwimmen : „Es hört einfach nie auf“
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Auf Abwegen: Julija Jefimowa während der Schwimm-WM in Kasan im August 2015. Bild: dpa
Doping, Vertuschung, Korruption: Wie soll es nur weitergehen im russischen Schwimmen? Trainer fordern harte Strafen, doch das System scheint dem der Leichtathletik zu gleichen.
Namhafte Schwimmtrainer fordern eine Untersuchung der zahlreichen Doping-Fälle im russischen Schwimmsport nach Vorbild der Untersuchung in der Leichtathletik und, bei entsprechender Beweislage, den Ausschluss russischer Schwimmer von den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro im Sommer. „Der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass sie jetzt handeln müssen“, sagte der englische Schwimmtrainer Jon Rudd gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie – das sind für Rudd, den Trainer von Olympiasiegerin Ruta Meilutyte, der Internationale Schwimmverband (Fina) und die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada.
Rudd forderte im Gespräch mit der F.A.Z. eine eingehende Untersuchung des russischen Schwimmsports nach dem Vorbild der Untersuchung der Doping- und Korruptionsfälle in der russischen Leichtathletik. Chefbundestrainer Henning Lambertz sagte auf Anfrage, es sehe so aus, dass es „im russischen Schwimmen von staatlichen Stellen toleriertes flächendeckendes Doping“ gebe, und ergänzte: „Wenn alle Fakten dafür sprechen, kann ich nur befürworten, eine ganze Nation zu sperren, wie es das Regelwerk der Fina vorsieht.“ Er sehe keinen Grund, Russland „mit Samthandschuhen“ anzufassen, fügte Lambertz hinzu: „Das Maß kann nicht weniger als randvoll sein.“
„So viele deutliche Hinweise“
Regel 12.1 des Weltverbandes sieht die Sperre einer Mannschaft vor, wenn vier oder mehr Dopingverstöße innerhalb eines Jahres begangen werden. Der Brite Rudd, der seine Schwimmer in Plymouth trainiert, sagte: „Nachdem bekanntwurde, welches Doping-Programm in Russland betrieben wurde, haben wir alle, viele internationale Schwimmtrainer, erwartet, dass es eine Untersuchung wie in der Leichtathletik auch im Schwimmen gibt. Es gab so viele deutliche Hinweise zu Überschneidungen zum Beispiel bei den handelnden Personen“, sagte Rudd. „Wir haben darauf gewartet, dass Wada und Fina handeln. Jetzt wurde Julija Jefimowa das zweite Mal positiv getestet, es geht einfach immer weiter, es scheint nie aufzuhören. Wir sind schon wieder bei zwei Dopingfällen innerhalb von zwölf Monaten. Jetzt reicht’s. Der Schwimmsport braucht eine gründliche Untersuchung.“
Die von Rudd angesprochenen „Überschneidungen handelnder Personen“ betreffen zum Beispiel Sergej Portugalow. Vom für die Leichtathletik zuständigen Chefmediziner berichtet die „Times“, er habe seine Unterstützung auch russischen Schwimmern angeboten, und zwar „auf aggressive Art und Weise“. Die von der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) eingesetzte Untersuchungskommission, die das staatlich unterstützte Doping-Programm in der russischen Leichtathletik belegt hatte, war zu dem Ergebnis gekommen, dass Portugalow nicht nur ein Doping-Programm und dessen Verschleierung aufgezogen und die entsprechenden Mittel verabreicht hatte, sondern auch „ein vollständiges Desinteresse an der Gesundheit und dem Wohlergehen der Sportler hat“.
Zudem hatte sich Portugalow, dessen lebenslange Sperre die vom Kanadier Richard Pound geführte Kommission empfohlen hatte, von Sportlern dafür bezahlen lassen, positive Proben verschwinden zu lassen. Portugalow hatte seine Dienste, so die „Times“, dem russischen Schwimmverband erstmals im Jahr 2009 angetragen. Seither sind 23 Doping-Fälle russischer Schwimmsportler bekanntgeworden, davon 15 im Zeitraum zwischen 2013 und März 2016. Bis 2013 war Portugalow zudem Mitglied der medizinischen Kommission im Europäischen Schwimmverband (Len), der medizinischen Kommission im Internationalen Skiverband (Fis) sowie Mitglied medizinischer Ausschüsse und Arbeitsgruppen russischer Sportverbände, unter anderen auch des russischen Schwimmverbandes. Die „Times“ berichtet, Portugalow habe die russische Schwimmer-Nationalmannschaft „aktiv aufgefordert“, sich einem systematischen Doping-Programm zu unterwerfen.