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Deutsche Davis-Cup-Team : Zverevs gutes Gefühl

Wieder Mannschaftsspieler: Alexander Zverev tritt für Deutschland im Davis Cup an Bild: dpa

Schon wieder reif für großes Tennis? Alexander Zverev zeigt sich vor dem Davis-Cup-Duell mit der Schweiz selbstbewusst wie eh und je. Das ist seine große Stärke – kommt aber nicht bei jedem gut an.

          3 Min.

          Es wurde viel gelacht und herumgealbert, als Alexander Zverev und seine Mitstreiter beim deutschen Davis-Cup-Team am Donnerstagnachmittag in Trier zusammenkamen. Zugegeben, die Auslosungszeremonie vor einer Davis-Cup-Partie ist eine mitunter unfreiwillig komische Veranstaltung. Ausgelost wird letztlich nur ein einziger Name – und der bestimmt dann lediglich über die Reihenfolge der Begegnungen. Dafür wird reichlich Tamtam gemacht. Selbst bei einer Begegnung zwischen Deutschland und der Schweiz muss zudem auf Weisung des Weltverbands ITF von allen Englisch gesprochen werden. Das fällt nicht jedem der Beteiligten leicht.

          Pirmin Clossé
          Sportredakteur.

          Die gute Stimmung im deutschen Team dürfte trotzdem authentisch sein. Die gab es schließlich immer, wenn sich diese Mannschaft in den vergangenen Jahren zusammengefunden hat. Egal, ob mit oder ohne Zverev, der das Endrundenturnier schon mal aus Protest gegen die radikale Umgestaltung des Wettbewerbs boykottiert hatte. Diesmal, in der Qualifikationsrunde, die mehr an den alten Davis-Cup-Modus erinnert, ist er wieder dabei.

          „Man hat gesehen, dass das neue System nicht funktioniert“, sagte er am Donnerstag. „Man braucht die Heimspiele, die Auswärtsspiele, man braucht die Atmosphäre.“ In Trier ist die Arena mit über 4000 Fans am Freitag und am Samstag ausverkauft. Der Vertrag mit dem spanischen Unternehmensgruppe Kosmos um den früheren Fußballstar Gerard Piqué wurde im Januar von der ITF aufgelöst. Eine weitere Reform steht bevor.

          In diesem Jahr bleibt allerdings noch einmal alles beim Alten. Der Sieger der Begegnung am Wochenende qualifiziert sich für eine Zwischenrunde im September. An diesem Freitag eröffnet Oscar Otte mit dem ersten Einzel gegen Marc-Andrea Hüsler. Dann folgt Zverevs erster Auftritt gegen Stan Wawrinka, den Star der Schweizer Auswahl. Der hat zwar mit inzwischen 37 Jahren derzeit nicht mehr die Klasse vergangener Tage, dafür aber etwas, das Zverev noch fehlt: drei Titel bei den Grand-Slam-Turnieren in Paris, New York und Melbourne.

          Es gibt im Internet ein Video, das so manchen Tennisfan in seinen Vorurteilen bestätigen dürfte. „Alexander Zverev, der bescheidenste Tennisspieler der Welt“ ist es betitelt. Das ist beißende Ironie, denn in dem Clip sind gut eineinhalb Minuten lang Interviewschnipsel zusammengeschnitten, in denen Deutschlands bester Tennisspieler seine eigenen Vorzüge preist.

          Die beste Rückhand auf der Profitour? „Ich und Novak vielleicht.“ Der kraftvollste Spieler? „Verdasco… und ich würde mich selbst nennen.“ Der Lustigste? „Ehrlich gesagt, bin ich der Klassenclown.“ Zverev verfügt eben seit jeher über ein bis zum Anschlag ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Das ist als Leistungssportler in vielen Momenten eine Stärke. Es gibt aber nicht wenige, die ihm deshalb unterstellen, arrogant zu sein.

          Anfang Januar, vor dem Start in das erste Grand-Slam-Turnier des Jahres in Melbourne, hatte Zverev wieder so einen Moment. Wer am Ende des Jahres die Nummer eins der Weltrangliste sei, wurde er gefragt. „Ich“, war seine Antwort. Und auch wenn es eingebettet war in einen Scherz auf Kosten seines Bruders Mischa, darf das getrost als gewagte Prognose bezeichnet werden.

          Nicht, weil Zverev nicht das Potential dafür hätte. Die Nummer zwei im Ranking war er schon, die Nummer 14 ist er zurzeit. Vielmehr ist er nach siebenmonatiger Verletzungspause noch lange nicht in Bestform. Vom Titel bei den Australian Open zu reden bezeichnete er als „unrealistisch“ und sogar „ziemlich dumm“. Er behielt recht, schied in Runde zwei gegen den Qualifikanten Michael Mmoh aus.

          Wer genauer hinschaut und vor allem hinhört, der bemerkt nämlich, dass Zverev nicht zwangsläufig arrogant ist, sondern dass er sich vielmehr stets um eine bis zur Schmerzgrenze ehrliche Selbsteinschätzung bemüht. Das ist meist zu seinem Vorteil, weil sein Talent im Tennis so groß ist, dass ihm tatsächlich die höchsten Ziele zuzutrauen sind. Genauso findet er jedoch klare und ehrliche Worte, wenn er hinter den eigenen Erwartungen zurückbleibt. „Ehrlich gesagt habe ich im Training hier die besten Sätze gespielt seit der Verletzung“, sagte Zverev nun in Trier. „Ob ich das auch morgen auf den Platz bringen kann, wird sich aber zeigen müssen.“

          Der Weg zurück zu alter Form ist lang, das musste Zverev schmerzhaft erfahren. Im Halbfinale der French Open hatte er dem großen Sandplatzkönig Rafael Nadal in dessen Reich einen grandiosen Kampf geliefert, ehe er umknickte und sich sieben Bänder im rechten Fuß riss. Weil sich zudem Knochenödeme gebildet hatten, scheiterte ein erster Comeback-Versuch. Zverev hatte unbedingt die Davis-Cup-Zwischenrunde in seiner Heimatstadt Hamburg Mitte September spielen wollen. Er überzog beim Training. Die Pause wurde noch länger.

          Jetzt fühle er sich „wunderbar“ nach vielen „Wochen mit hartem Training“. Zumal sich eine dunkle Wolke, die seine Karriere in den vergangenen zwei Jahren belastete, zumindest ein wenig aufgehellt hat. Die ATP hatte Anfang der Woche bekanntgegeben, dass sie die Ermittlungen gegen ihn wegen des Vorwurfs der häuslichen Gewalt, den eine ehemalige Freundin erhoben hatte, eingestellt hat – aus Mangel an Beweisen. „Ich kann nicht mehr tun, als ich getan habe, um meine Unschuld zu belegen“, sagte Zverev. „Ich bin froh, dass ich dieses Kapitel jetzt beenden kann.“ Die Stimmung ist gut an diesem Davis-Cup-Wochenende in Trier – bei Zverev und im deutschen Team.

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