Radikalreform im Tennis : „So wird dem Davis Cup die Seele herausgerissen“
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Großer Sport: Jan-Lennard Struff (r.) und Tim Pütz gewinnen das dramatische Doppel. Bild: AFP
Die Begeisterung beim aktuellen Davis-Cup-Duell zwischen Spanien und Deutschland ist enorm. Das ist nicht immer so. Deswegen wird eine radikale Reform geplant. Doch die Kritik ist riesengroß.
Krise? Welche Krise? In Valencia feiert der altehrwürdige Davis Cup fröhliche Urständ. Das Viertelfinale zwischen Spanien und Deutschland elektrisiert die Stadt. Schon bei der Auslosung am Donnerstag sammelten sich 300 Neugierige vor dem Rathaus, um einen Blick auf die Tennisstars zu erhaschen. Während des Trainings der Spanier füllten Hunderte die Tribünen der zum Tennisstadion umfunktionierten Stierkampfarena. Am Freitag, bei den ersten beiden Einzeln, waren alle 8000 Plätze ausverkauft. Das spanische Fernsehen blieb sechs Stunden live auf dem Sender. Wie in seinen besten Zeiten fasziniert der im Jahr 1900 erstmals ausgetragene Tennis-Mannschaftswettbewerb mit seiner emotional aufgeladenen Atmosphäre, die Stimmung hält Vergleichen mit Fußball-Länderspielen stand.

Sportredakteur.
Warum das so ist? Weil die Helden mitspielen. Rafael Nadal nutzt den Termin, um nach längerer Verletzungspause wieder Spielpraxis für die Sandplatzsaison zu gewinnen, an deren Ende er zum elften Mal die French Open gewinnen will. Die deutsche Nummer eins, Alexander Zverev, treibt im zarten Alter von 20 Jahren noch die jugendlich-romantische Vorstellung, diesen Traditionswettbewerb einmal gewinnen zu müssen. Wenn es an diesem Sonntag in Valencia zum Aufeinandertreffen des Weltranglistenersten aus Spanien und des Weltranglistenvierten aus Deutschland kommt (11.00 Uhr live bei DAZN), wird die Tennis-Welt wieder einmal auf den Davis Cup schauen. Deutschlands Tennis-Herren sind nur noch einen Sieg vom ersten Halbfinal-Einzug im Davis Cup seit elf Jahren entfernt. Und die Chancen sind gut. Am Samstag gewannen Tim Pütz und Jan-Lennard Struff gegen Feliciano und Marc Lopez 6:3, 6:4, 3:6, 6:7 (4:7), 7:5 und brachten Deutschland 2:1 in Führung.
Meistens jedoch fehlen die Großen. Deshalb wird der Davis Cup immer weniger beachtet. Der Turnierkalender ist so eng gestrickt, dass die Profis vor jedem Match vor dem Zwiespalt stehen, ihre Entwicklung in der Weltrangliste zu gefährden, wenn sie dem Dienst für das Vaterland nachkommen. Das nehmen die Stars schon mal auf sich, aber nicht immer und noch seltener, wenn sie ihre Titelsammlung schon mit dem Gewinn des Davis Cups veredelt haben. Alle Stars unserer Zeit gewannen den Davis Cup: Roger Federer, Stan Wawrinka, Andy Murray, Novak Djokovic und Rafael Nadal. Aber nun haben sie entweder das Interesse ganz verloren oder zeigen es nur noch, wenn es ihre Karriere nicht beeinträchtigt.
Aber das ist fast immer der Fall, wie das Beispiel Alexander Zverev zeigt. Der Hamburger stand am vergangenen Sonntag in Miami im Finale, erwischte mit Glück die Abendmaschine nach Deutschland und kam Montag Abend in Valencia an. Drei Tage und vier Nächte hatte er, um sich auf die sechsstündige Zeitverschiebung, einen neuen Bodenbelag und neue Bälle einzustellen. Und wenn er gegen den Amerikaner Isner das Endspiel von Miami gewonnen hätte und dem Siegerprotokoll unterworfen gewesen wäre, dann wäre Zverev erst am Dienstag zum deutschen Team gestoßen. „Was Sascha macht, ist nicht zu unterschätzen und nicht gut für seinen Körper, das ist ganz klar“, sagte Teamkapitän Michael Kohlmann: „Es ist schwierig, sich zum Davis Cup zu bekennen. So etwas kann man nicht verlangen und schon gar nicht jedes Jahr. Das Format des Davis Cup ist nicht mehr zeitgemäß, es muss etwas geändert werden.“
Das wissen alle, die sich mit Tennis beschäftigen. Aber wie radikal etwas geändert werden soll, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Bisher wurden Kleinigkeiten revidiert, um den Zeitaufwand etwas herunterzuschrauben. Aber auch 2018 gehen in der Weltgruppe der 16 besten Tennisnationen die Spiele von Freitag bis Sonntag (maximal vier Einzel und ein Doppel) über drei Gewinnsätze, noch immer machen es die Zwänge der Vorbereitung und der PR-Termine erforderlich, spätestens am Montag anzureisen.