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Björn Thurau : Strampeln im Schatten des Vaters

Björn Thurau will mit dem Team Bora die Tour de France fahren Bild: Picture-Alliance

Dietrich Thurau ist ein großer Name im Radsport. Das macht es für Sohn Björn nicht einfacher. Der ist zwar keine Rakete, aber ein solider Profi, der die ersten Etappen zu seinem großen Ziel erfolgreich gemeistert hat.

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          Wieder so ein Flecken Erde, an dem er schon war. Björn Thurau kann ihn nicht loswerden. „Didi“, den Übervater und den langen Schatten, den der „blonde Engel“ von einst immer noch wirft. Das wird vermutlich auch an diesem Sonntag so sein, beim Rad-Klassiker Lüttich–Bastogne–Lüttich. „Ich werde wieder mit dem Vergleich leben müssen“, sagt der Junior, der für das deutsche Team Bora am Start sein wird. Weil Dietrich Thurau auch in den Ardennen seine Spuren hinterlassen hat, sehr große sogar: Er hat dieses Rennen 1979 gewonnen. Das hatte vor ihm nur ein Deutscher geschafft, Hermann Buse im Jahr 1930, und nach Thurau war das keinem Deutschen mehr gelungen.

          Rainer Seele
          Sportredakteur.

          „Didi“, immer wieder „Didi“. Und das harte Los des Sohnes, sich freizustrampeln, seine eigene Identität zu finden als Radrennfahrer. Losgelöst von dem großen Thurau, den er nicht erreichen kann. Björn Thurau pocht auf seine Eigenständigkeit, er sagt, dass er mit seinen Beinen sprechen wolle. Er will für sich selbst fahren und um seine Zukunft. Und er zieht Grenzen, möchte zum Beispiel keine Interviews zusammen mit Thurau senior geben. Weil er dann, sagt er, ganz schnell wieder da sein würde, wo er nicht hinwolle – in einer Welt, in der Parallelen gezogen werden zwischen ihm und dem Mann, der Deutschland einst verzückt hatte, mit der Episode in Gelb bei der Tour de France im Jahr 1977.

          Vielleicht wäre das Leben einfacher für Björn Thurau, hätte er sich einem anderen Sport verschrieben, wie sein Bruder Urs, der sich an einer Tennislaufbahn versucht. Und nicht ständig konfrontiert wird mit dem, was „Didi“ Thurau zuwege gebracht hat, und es war ja eine ganze Menge, manchmal auch mit Mitteln, die nicht den Regeln entsprachen. Aber der Reiz des Radsports war zu groß, Björn Thurau ist ihm erlegen, und er möchte sich nicht davon frei machen, trotz aller Fährnisse. Thurau, 26 Jahre alt, hat - wie der Radsport generell - wechselvolle Zeiten hinter sich.

          Und manchen Zwist mit seinem Vater. Dietrich Thurau war beispielsweise nicht damit einverstanden, dass sein Filius schon mit 18, nach dem Hauptschulabschluss, Profi wurde. „Junge Kerle, ist halt schwierig“, sagte er. Und kritisierte zudem den sportlichen Werdegang des Sohnes, sprach von „Rumeiern“ und von „Gurkenteams“. Klar, sagt Björn Thurau, „ich habe mich am Anfang ein bisschen schwergetan“. Er war nicht immer mit den nötigen Ernst bei der Sache, „ich war ab und zu ein bisschen nachlässig, zu entspannt“. Diese Phase sei Vergangenheit, betont er, „mittlerweile arbeite ich ganz professionell“.

          Der große Name von Vater Dietrich fährt immer mit
          Der große Name von Vater Dietrich fährt immer mit : Bild: Picture-Alliance

          Das registriert auch „Didi“ Thurau, er behauptet: „Ich glaube schon, dass er weiß, um was es geht. Er kann noch einiges bewegen.“ Und mag sich doch den Hinweis nicht verkneifen, dass es gelegentlich von Vorteil gewesen wäre, wenn Björn Thurau manchen elterlichen Ratschlag angenommen hätte. „Dann wäre er ein Stück weiter.“ Immerhin war Björn Thurau zuletzt in Frankreich untergekommen, beim Team Europcar, er fuhr an der Seite von Männern wie Pierre Rolland oder Thomas Voeckler. Als Helfer, der bisweilen ein bisschen Aufmerksamkeit ergatterte, nicht durch den bekannten Namen, sondern durch erstaunliche Leistungen. So hatte Thurau, 1,93 Meter groß und 75 Kilogramm schwer, im vergangenen Jahr bei der Tour de Suisse das Bergtrikot erobert. Er ist, natürlich, kein Profi vom Kaliber eines John Degenkolb, Thurau steht nicht in der ersten Reihe der aufstrebenden deutschen Radsport-Garde. „Er ist nicht so eine Rakete wie sein Vater“, wie Ralph Denk salopp sagt, der Eigner des Teams Bora, bei dem Thurau seit dieser Saison unter Vertrag steht.

          Schon 1999 fuhren Vater und Sohn zusammen auf dem Rennrad
          Schon 1999 fuhren Vater und Sohn zusammen auf dem Rennrad : Bild: Imago

          Aber Thurau ist zuversichtlich, seinen Platz im Peloton finden zu können, als Mann für kleinere Rundfahrten etwa. „Sein Motor ist groß genug, dass er Rennen gewinnen kann“, sagt der Bayer Denk. „Er kann ein guter, solider Profi werden.“ Die neue Equipe will Thurau dabei steuern. Und ihn lehren, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. „Er setzt seine Kraft nicht immer dosiert genug ein“, sagt Denk. „Man muss den Jungen ab und zu mal bremsen.“ Er sei halt, sagt Thurau, „etwas ungestüm“.

          Beim Team Europcar hatte Thurau sich bereits in gewisser Weise umgestellt - und durch eine veränderte Ernährung sein Gewicht reduziert. Jetzt, in Diensten des Raublinger Rennstalles, möchte er zulegen, grundsätzlich. Thurau, vertreten durch den Manager Alex Carera, der auch den italienischen Tour-Sieger Vincenzo Nibali betreut, erhofft sich durch den Wechsel einen Entwicklungsschub, mehr Freiheiten als Profi, er möchte sich verwirklichen, wie er sagt, sieht die Chance, auf „das nächste Level“ zu kommen. Heißt: mal „auf eigene Kappe“ zu versuchen, Rennen zu bestimmen, „auf Ergebnis zu fahren“, wie Thurau es im Radsport-Jargon formuliert. Wird auch Zeit, findet Dietrich Thurau, dass sein Sohn „ein paar gute Resultate bringt. Irgendwann muss der Knoten aufgehen.“

          Immerhin, erzählt Björn Thurau, sei er nun wieder in einer relativ guten Form, nachdem ihm im Februar und März eine hartnäckige Erkältung zu schaffen gemacht hatte und seine Auftritte bei prestigeträchtigen Rennen wie Mailand–San Remo, der Flandern-Rundfahrt oder Paris–Roubaix beeinträchtigte.Nach dem Abstecher in die Ardennen wird Thurau, der in Fulda lebt, sich am kommenden Freitag bei „Rund um den Finanzplatz Eschborn–Frankfurt“ dem heimischen Publikum präsentieren - all das sind Etappen auf dem Weg zum großen Ziel, der ersten Teilnahme an der Tour de France. Er habe „klare Ambitionen“, sagt Thurau. „Ich werde mich so steigern, dass ich von der Rampe runterrollen werde.“ In Utrecht, wo die Tour am 4. Juli beginnt.

          Die Tour, Frankreich, Paris? Natürlich auch „Didis“ Land. Es wäre in besonderem Maße eine Begegnung mit einer speziellen Familiengeschichte. Doch Björn Thurau hätte keine Bedenken, sich ihr zu stellen. Nicht nur, dass er seinen Frieden mit ihm gemacht hat. Dass er sich Tipps geben lässt, wie vor Paris–Roubaix beispielsweise, „obwohl ich das Gerüst, wie der Radsport funktioniert, selbst ganz gut kenne“. Und die Franzosen, das hat er festgestellt, wissen inzwischen auch mit dem anderen Thurau etwas anzufangen. „Viele“, sagt der junge Thurau, „sind schon auf mich zugekommen“, unter anderem mit Autogrammwünschen. Er ist überzeugt: „Sie schätzen mich als Person.“ Es klingt, als würde er sie mit einem Stempel fixieren. Ich. Björn. Thurau.

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