Surf-Unfall in Nazaré : „Dieser Tag wird ein Nachspiel haben“
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Bewusstlos: Alex Botelho wird am Dienstag in Nazaré am Strand angespült und versorgt. Bild: EPA
Bei einem Wettkampf mit fast 14 Meter hohen Wellen verunglückt der Surfer Alex Botelho und wird anschließend bewusstlos an den Strand gespült. Sein gesundheitlicher Zustand ist ungewiss. Kritik an den Veranstaltern wird laut.
„Oh, it's a body!“ An diesen Satz werden sich viele Surfer noch lange erinnern. Gesagt wurde er am Dienstag von einem Moderator in einem Livestream der „World Surf League“ (WSL), in dem ein Big-Wave-Surf-Wettkampf in Portugal übertragen wurde: die „Nazaré Tow Surfing Challenge“. Kurz bevor ein lebloser Körper an den Strand gespült wurde, hatte einer der Moderatoren noch gelacht, als der portugiesische Surfer Alex Botelho zusammen mit einem Jetski von einer riesigen Welle mitgerissen worden war. Der Jetski-Fahrer hatte versucht, Bothelo aus der Gefahrenzone zu retten, zwei kollidierende Wellen schleuderten den Jetski aber meterhoch in die Luft, Botelho wurde beim Aufprall wahrscheinlich bewusstlos, der Jetski-Fahrer brach sich ein Bein.
Danach herrschte Chaos im Wasser, von einem „Jetski-Massaker“ sprach ein Zuschauer, der auf der Klippe stand. Deswegen waren sich die Moderatoren erst mal nicht sicher, was da schließlich angeschwemmt wurde. Als sie merkten, dass es kein Jetski, sondern ein Körper war, hielt die Kamera weiter drauf. Eine Drohne filmte von oben, wie Botelho auf eine Trage geschleift wurde. Die WSL teilte später mit: „Der Big-Wave-Surfer Alex Botelho war während der Nazaré Tow Surfing Challenge in einen sehr schweren Vorfall verwickelt. Er wurde ins Krankenhaus gebracht. Sein Zustand ist stabil und er ist bei Bewusstsein. Er wird zur weiteren Untersuchung im Krankenhaus bleiben.“ Portugiesische Medien meldeten am Donnerstag allerdings, dass sich der Zustand von Botelho verschlechtert habe, der Surfer werde künstlich beatmet. Genauere Informationen zu seinem Zustand gibt es nicht.
Sebastian Steudtner ist der bekannteste deutsche Big-Wave-Surfer, seit Jahren verbringt er die Winter in Nazaré und surft dort die größten Wellen der Welt. Auf die „Nazaré Tow Surfing Challenge“ hatte er sich gefreut, er war Teilnehmer. „Es war das erste Mal überhaupt, dass die WSL einen Tow-In-Wettkampf veranstaltet“, sagt er im Gespräch mit der F.A.Z. am Freitag. Es ist seine Spezialdisziplin, beim Tow-In-Surfen lassen sich die Wellenreiter von Jetskis in Wellen ziehen, so können Wellen gesurft werden, die zu groß und schnell sind, um sie anzupaddeln. Am Dienstag waren sie laut WSL bis zu 13,70 Meter hoch.
„Unsere Leben sind Clickbait“
Mit der Größe der Wellen steigt das Risiko. Und in Nazaré ist es besonders gefährlich, weil es anders als an anderen Orten keinen „Channel“ gibt, in dem das Wasser zurück ins Meer fließt und in dem man sich in Sicherheit bringen kann. Ein tiefer Unterwassercanyon reicht fast bis ans Ufer, dort türmen sich die Wellen vor einer felsigen Küste auf – und brechen dann erbarmungslos zusammen. „Man braucht hier ein richtig gutes Sicherheitskonzept“, sagt Steudtner, der seit Jahren einen Arzt der Bundeswehr einfliegt, wenn er an Tagen mit großen Wellen ins Wasser geht. „Wir brauchen spätestens nach diesem Unfall Sicherheitsstandards, an die sich alle halten. Es kann nicht sein, dass es vier Minuten dauert, bis ein bewusstloser Surfer an Land geholt wird.“ So lange dauerte es laut übereinstimmender Zuschauerberichte, bis Botelho am Dienstag an Land war.

Es gibt noch eine weitere Sache, die Steudtner kritisiert: „In welcher Sportart gibt es das, dass mit der Kamera draufgehalten wird, wenn ein Sportler ohnmächtig ist – und danach werden noch Zusammenschnitte an die Presse verteilt?“ Die WSL, der mächtige Weltverband der Surfer, hatte am Dienstag auf Instagram erst mal einen Beitrag mit einem schönen Surf-Foto veröffentlicht, in dem es hieß: „Die Nazaré Tow Surfing Challenge ist für diesen Tag zu Ende gegangen.“ Erst als viele Kommentatoren wissen wollten, wie es Bothelo denn gehe, kündigte die WSL ein Update an. Und dieses Update kam dann in Form eines Zusammenschnittes der Katastrophe, in zwei Tagen wurde das Video auf Instagram mehr als 800.000 Mal abgerufen. Die WSL lud es zusätzlich auf Youtube hoch. Der Surfer Albee Layer kommentierte unter das Video auf Instagram: „Unsere Leben sind Clickbait.“
Auch Steudtner sagt: „Wir sind Profisportler und keine Influencer, die Clickbaiting betreiben. Das ist doch absolut respektlos ihm und der Familie gegenüber, dass die ganze Welt sich anschauen kann, wie er da leblos am Strand liegt. Wie ist das denn für seine Mutter?“ Während die wahrscheinlich um die Gesundheit ihres Sohns bangte, veröffentlichte die WSL Videos von gut gelaunten Surfern auf der Preisverleihung und weitere Zusammenschnitte von gesurften Riesenwellen. Steudtner hofft jetzt, dass es seinem Freund Bothelo bald wieder gut gehen wird – und der dann noch ins Wasser will. „Er ist das größte Big-Wave-Talent, das wir in Europa haben und ein unglaublicher Athlet.“ Ob es jetzt eine Debatte über die Sicherheit in Nazaré geben muss? „Die gibt es schon“, sagt Steudtner. „Dieser Tag wird ein Nachspiel haben.“