
Polen statt Bundesliga : Goldener Volleyball-Osten
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Das Beste ist gerade gut genug: Berlins Volleyballteam sucht neue Herausforderung. Bild: dpa
Auch wenn die Umzugspläne des Berliner Meisterteams nach Polen nur Planspiele sind. Alleine schon die Gedanken an einen Auszug aus der Bundesliga sind ein Debakel für den deutschen Volleyball.
Wenn der international renommierte belgische Volleyball-Trainer Vital Heynen während seiner Zeit beim VfB Friedrichshafen von einem Passanten erkannt wurde, konnte er sicher sein: „Es war ein Pole.“ Nun leidet der 50-Jährige keinesfalls unter mangelndem Selbstbewusstsein. Aber dass er als Coach des deutschen Rekordmeisters und ehemaliger Bundestrainer, der das deutsche Team 2014 in einer Sternstunde zu WM-Bronze führte, so wenig Spuren hinterlassen hat, wurmte ihn schon, auch wenn er es in einen Witz verpackte.
Volleyball spielt sich in Deutschland am Rande der Aufmerksamkeitschwelle ab, selbst in Zeiten des Erfolgs. Konsequenterweise verzichtete Heynen vergangenes Jahr auf den Job am Bodensee und konzentriert sich seitdem auf sein Amt als polnischer Nationaltrainer. Mit Polen wurde er 2018 Weltmeister und peilt mit berechtigten Hoffnungen Olympia-Gold an. Deutschland ist nicht dabei.
Auf hohem Niveau
Kaweh Niroomand würde auch gerne nach Polen auswandern. Allerdings gleich mit seinem ganzen Verein im Gepäck. Der 67-Jährige ist Macher der Berlin Recycling Volleys, des zehnmaligen deutschen Meisters, der in der jüngsten Dekade den Friedrichshafenern den Rang abgelaufen hat. In der Bundesliga langweilt sich Niroomand mittlerweile: keine Gegner, die sein Team fordern. Keine Strukturen, die das ändern und die Liga wachsen lassen könnten. Im Gegenteil: Für die kommende Spielzeit haben drei Teams den Rückzug angetreten. Statt ihren Masterplan auszubauen, muss die Liga den Rettungsschirm spannen, damit wenigstens zehn Klubs den Betrieb aufnehmen.
Weil Polens Topliga tatsächlich auf hohem Niveau funktioniert, ist der Blick nach Osten verlockend. „Als Volleyballspieler lebt es sich schön in Polen“, sagt Lukas Kampa, Zuspieler der deutschen Nationalmannschaft, „sonst würde ich hier nicht in die siebte Saison gehen.“ In Polen werden alle Volleyball-Ligaspiele im Fernsehen übertragen, das Interesse ist riesig. Zwar wurde auch dort die Saison coronabedingt abgebrochen, aber es gibt einen breiten Konsens aus Vereinen, Verband, Liga und Fernsehen, wie es weitergehen soll. Ohne Verluste, sogar mit Zuwachs aus dem Ausland: Top-Spieler, die in Italien oder Russland ihr Geld verdienten, avisieren einen Wechsel in die PlusLiga.
In der Gesellschaft würden sich die stets nach Großem strebenden Berliner wohl fühlen. „Ich glaube, sie würden gut nach Polen passen“, sagt Kampa zu den Umsiedlungsplänen des Hauptstadtklubs: „Aber für die Bundesliga würde es mir leidtun.“
Wenn das stärkste Zugpferd den Zirkus wechseln würde, könnte die deutsche Liga ihre Zelte einpacken. Auch deshalb beklagt Liga-Chef Michael Evers „unsolidarisches“ Verhalten des Hauptstadtklubs. Zwar relativierten die Berliner ihren Ausreiseantrag für die Saison 2021/22 mittlerweile als „Planspiel“, doch der Gedanke ist in der Welt. Und schon allein das ist ein Debakel für den deutschen Volleyball.