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Meister Berlin Volleys : Ballermann in Prenzlauer Berg

Timothee Carle und Ruben Schott freuen sich über den Titel mit Berlin. Bild: Imago

Klatschhymnen und Stampfrhythmen helfen auf dem Weg zum Titel: Die Volleys Berlin werden auch mit der Unterstützung der Zuschauer deutscher Meister und besiegen Friedrichshafen im Finale.

          3 Min.

          Der Ball geht ins Aus. „Ist mir egal, ist mir egal“, tönt es aus Riesenboxen. Ein Schmetterball donnert durch den gegnerischen Block: „Er war noch mit den Fingern dran!“ Die Volleys lenken einen Schmetterball zum Punktgewinn ins gegnerische Feld, 8500 Zuschauer in der Max-Schmeling-Halle jubeln in die Liedzeilen: „Mein Block, mein Block.“ Nächster Punkt: „Halleluja Berlin!“ Und schließlich: „Oh, wie ist das schön.“

          Michael Reinsch
          Korrespondent für Sport in Berlin.

          Ein ohrenbetörender Soundtrack hat am Samstagabend die Volleys Berlin zum Endspiel der Finalserie um die deutsche Meisterschaft begleitet, als sie nach zwei verlorenen Spielen zu Beginn gegen Pokalsieger VfB Friedrichshafen triumphierten. 3:1 (25:20, 19:25, 25:23, 25:22) siegte das Team im fünften Spiel und holte sich den Titel mit 3:2 Siegen. „Einen besseren Abschied als dieses Ding heute gibt’s nicht“, freute sich Georg Klein: „Ein absolut geiles Ende.“

          2020 hatte der Nationalspieler schon einmal seinen Abschied genommen; nach zwei Titeln mit den Volleys hörte er auf, als die Bundesliga die Saison abbrach. Da gab es außer Tristesse keine Stimmung und keinen Titel. Am Samstag spielten die Volleys zum ersten Mal wieder vor vollem Haus, und während draußen, rund um den Mauerpark von Prenzlauer Berg, Dutzende von Polizeitransportern und Tausende von Polizisten bereitstanden für den Einsatz in der Walpurgisnacht, machten die Volleys bei der Zahl ihrer Meisterschaften das Dutzend voll.

          „Drah’ di net um, der Kommissar geht um“ erklang, als Klein Aufschlag zum ersten Matchball hatte. Der Einspieler, war eine Reminiszenz des DJ daran, dass Klein sein Studium für den Gehobenen Polizeidienst für eine Rückkehr als Teilzeitprofi unterbrochen hatte; zunächst, um im Training eine Lücke im Mittelblock zu füllen, dann für immer mehr und immer längere Einsätze in der Meisterschaft. Acht Punkte und einen Block steuerte er am Samstag zusätzlich zu seiner Erfahrung und Entschlossenheit bei. Der französische Nationalspieler Timothée Carle war mit zwanzig Punkten und drei Blocks neben dem russischen Zuspieler Sergej Grankin (drei Asse) der überragende Spieler des Abends.

          „Jetzt haben wir ein Eventpublikum“

          Überragender Spieler war auch der Mann am Plattenspieler, der selbstverständlich längst keine Platten mehr auflegt, sondern von vier Pads Hunderte von digitalisierten Soundschnipseln einblendet. In Wirklichkeit spielt dieser Jörg Günzel, Musiker und Musiklehrer, gar keine Musik, sondern er spielt virtuos das Publikum. „Wir pushen ein bisschen, wir unterstützen“, sagte er: „Wir transportieren die Stimmung. Wenn die Stimmung übernommen wird, bin ich stolz“. Er kann sich noch an Zeiten erinnern, da Volleyball-Zuschauer schweigend auf den Bänken saßen.

          „Jetzt haben wir ein Eventpublikum“, sagte er. „Und Party-Stimmung.“ Trotz fast dreijähriger Pause stimmten die Einsätze, als Günzel etwa „Sweet Caroline“ ein- und ausblendete und Tausende den Refrain mit leidenschaftlichem „Oh, oh, oh“ vollendeten. Er spielte eine Fanfare ein, und das Publikum schrie: „Attacke!“ Er spielte „Und die Chöre singen für dich“, und die Zuschauer stimmten ein, „oho oho oh!“ Und als Ruben Schott zum Aufschlag schritt, klang der Song „Shot, Shot, Shot“ durch die Halle.

          Was textlich nicht passt, macht Günzel im eigenen Studio passend, und live ist er so reaktionsschnell, dass seine Einblendungen auch auf dem Höhepunkt fast immer vor der Reaktion des Publikums zu kommen scheinen und diese verstärken. Alles mit dem Ziel: „Wenn sie hinten liegen, die Spieler, wenn sie den Anschluss verlieren, versuchen wir das Publikum zu pushen.“ Dann gibt es Klatschhymnen und Stampfrhythmen, und Mister DJ scheute sich am Samstag nicht vor dem Griff in die unterste Schublade. In heftiger Lautstärke blies er mehrmals den Kracher „Johnny Däpp, Däpp, Däpp“ in die Arena. Da gab dann es kein Halten mehhr, da herrschte Ballermann in Prenzlauer Berg.

          Auf feinschmeckerische Vorhaltungen reagierte Günzel trocken: „Wenn’s nutzt. Sie sehen ja, die Stimmung ist da.“ Nicht nur der Erfolg sorgte für Stimmung, es war auch die Stimmung, die für den Erfolg sorgte. „Ich glaube nicht, dass wir das ohne die Zuschauer gewonnen hätten“, sagte Klein: „Die haben uns so gepusht. Wir brauchen diese Emotionen gegen Friedrichshafen. Das haben wir in den ersten beiden Spielen gesehen.“ Mark Lebedew konnte das nur bestätigen.

          „Berlin war am Ende ein kleines bisschen stärker von der Bank, ein kleines bisschen erfahrener“, urteilte der Trainer der Friedrichshafener: „Und Berlin hat einen Heimvorteil. Was sie hier leisten! Bei viertausend Zuschauern hätten wir vielleicht gewonnen, aber nicht bei achttausend.“ Der Australier gewann vor zehn Jahren, 2012, seine erste von drei deutschen Meisterschaften mit den Volleys. Vorher und nachher arbeitete er in Belgien, Italien und Polen. „Berlin ist Volleyball-Hauptstadt“, urteilt er: „Ich glaube nicht, dass es irgendwo einen besseren Verein gibt mit einer Spielstätte mit achttausend Zuschauern.“

          „Das ist weltweit einmalig. Eine solche Kulisse kann keine andere Liga vorweisen“, schwärmte Volleys-Manager Kaweh Niroomand: „Unglaublich. Was für eine schöne Sportart wir haben. Das wird leider viel zu wenig honoriert in anderen Städten.“ Klagen, dass durch die Dominanz der Berliner ähnliche Klagen über Langeweile aufkommen könnten wie in der Fußball-Bundesliga mit ihren ewigen Bayern, befürchtet er nicht. „Diese Endspiele in Berlin sind inzwischen eine eigene Marke. Alle warten darauf“, urteilt er: „Ich würde mir im Sinne der Liga wünschen, dass auch andere hochkommen. Aber langweilig wird es nie.“ Auch er weiß, dass die Spieler allein womöglich nicht gewonnen hätten. „Das Publikum hat selbstverständlich geholfen. Das Spiel war ja immer auf der Kippe. Auswärts hätte das ganz anders ausgehen können.“

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