Niederlage im Boxring : Der Tank ist leer bei Abraham
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Für Arthur Abraham (rechts) endet der Abend in London ernüchternd. Bild: dpa
Arthur Abraham hat bei allem guten Willen nicht mehr viel zu bieten – das zeigt die Niederlage gegen Eubank jr. Ist das das Ende der Karriere im Boxring? Einer von Vernunft geprägten Entscheidung steht allerdings etwas im Wege.
In seinen märchenhaft phantastischen Zeiten stieg der Neumillionär Arthur Abraham als Schlumpf verkleidet in den Ring. Nur so lange, bis die Rechteinhaber der Comicfigur dem Spaß samt Einmarschmusik mittels Unterlassungserklärung ein Ende bereiteten. Als Multimillionär kam der Boxer als „King Arthur“ mit seinem neuen Markenzeichen, einer Krone, daher. In Gewändern aus Purpur oder gar einem Fummel in Hermelin. Am Samstag in London – in Deutschland und erst recht in seiner Heimat Armenien war schon Sonntag – trug Arthur Abraham einheitlich schwarz. Ob er schon Schwarz sah, bevor sein Kampf gegen Chris Eubank jr. eingeläutet wurde? Schwarze Schuhe, schwarze Hose und oben ein rabenschwarzer Poncho – so schmucklos hatte der heute 37-Jährige zuvor noch nie ausgesehen. Die Äußerlichkeiten flankierten die glanzlosen Darbietungen des ehemaligen Weltmeisters der IBF im Mittelgewicht und des WBO-Champions im Supermittelgewicht.
Promoter Wilfried Sauerland bescheinigte dem Mann, dessen Schlagkraft auf einer nach oben offenen Skala einst als „Abrahammer“ gefeiert wurde, „sehr viel Herz, weil er durchgehalten hat“. Der Wahlberliner verschanzte sich hinter der für ihn typischen Doppeldeckung, während sich der Brite zwölf Runden lang mit Schlagserien an Abraham abarbeitete. Nur hin und wieder riskierte dieser ein paar halbherzige Störversuche, ohne den zehn Jahre Jüngeren in Verlegenheit bringen zu können. „Ich wollte der Erste sein, der ihn ausknockt, aber jetzt weiß ich, warum er noch nie k. o. gegangen ist, er kann viel einstecken“, sagte Eubank jr. anerkennend. Aber darum kann es für den einst so stolzen Abraham mit der immer noch imponierenden Bilanz von 46 Siegen in 52 Kämpfen nicht gehen. „Spiel mit ihm“, riet Trainervater Chris Eubank seinem Sohn in der Ringecke zu.
So weit ist es also gekommen. Von sieben Duellen im Ausland hat Abraham mittlerweile fünf verloren. Aber selbst im vertrauten, deutschen Revier ist dem gealterten Ringfuchs kein Comeback zuzutrauen, das Abrahams Anspruch gerecht würde. Sein Management will sich mit ihm zusammensetzen und über die Zukunft beraten. Einer von Vernunft geprägten Entscheidung steht allerdings im Wege, dass sich der einstige Haudrauf grundsätzlich „nicht mit einer Niederlage von meinen Fans verabschieden will“. Sein Ego ist Trumpf und Fluch zugleich. Sein Ego hat ihn zu einem Athleten reifen lassen, der instinktiv sehr viel richtig gemacht hat. Und es damit sehr weit gebracht hat. Aber inzwischen, das Alter mit reduzierten Reflexen und abnehmender Schlagkraft ignorierend, bleibt kein Spielraum mehr für hochgestochene Titelträume.
In London ging es um den WM-Gürtel des IBO, eines kleineren Boxverbandes. Dabei war das Kräftemessen nichts anderes als das Vorspiel zu Größerem, viel Größerem, der „Muhammad-Ali-Trophy“. Die bekommt der Gewinner der im September startenden „World Boxing Super Series“ (WBSS), honoriert mit Millionengagen. Reserviert für jeweils acht herausragende Athleten in den Gewichtsklassen Supermittel und Cruiser. Eubank jr. hat sich mit seinem Sieg über Abraham für das Viertelfinale der WBSS gegen den Türken Avni Yildirim qualifiziert. Mit im Rennen sind die Deutschen Jürgen Brähmer und Marco Huck. Ihre Aussichten? Inmitten der Elite vergleichbar mit der Chancenlosigkeit Abrahams in London. Der Modus? Ganz einfach. Wer verliert, der ist raus.
„Die großen Namen sind weniger geworden, aber es gibt natürlich noch einige wenige wie Klitschko und mich“, sagte Abraham vor seiner verzagten Darbietung in London und meinte damit die Quotenbringer in Deutschland. So viel zur Selbsteinschätzung des Preisboxers, der einst mit seiner Familie als Awetik Abrahamyan nach Deutschland kam. Da war er 15 Jahre alt; und was er an Besitztümern dabeihatte, passte in eine Plastiktüte. Die Gabe, sich durchzusetzen, hatte er im Blut. Er lernte schnell Deutsch, verfügte damals schon über eine Kombination von Charme und List. Als sich Abraham im Boxstall Sauerland vorstellte und als Sparringspartner von Sven Ottke anheuerte, war dessen Trainer Ulli Wegner hin und weg.
Mit Arthur Abraham hat Wegner Höhen (Triumph über Edison Miranda trotz Kieferbruchs) und Tiefen (Niederlage im deutschen Duell gegen Robert Stieglitz) geteilt, sie gingen durch dick und dünn. „Er hatte heute kein Herz“, urteilte der Kulttrainer schweren Herzens viel strenger als Promoter Sauerland und wiederholte damit, was er schon im April 2016, nach der Punktniederlage seines „Jungen“ gegen den Mexikaner Gilberto Ramírez gesagt hatte. Abrahams Gegenwehr damals glich einer Kapitulation. An diesem Wochenende wurde allen vor Augen geführt: Arthur Abraham hat bei allem guten Willen nicht mehr zu bieten, als er aktuell zeigen konnte. Vater Eubank meinte Abraham mit einem „Panzer“ vergleichen zu müssen. Der Tank ist leer.