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Doping : Das verlorene Leben der Heidi K.

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Bild: dpa

„Wir reden über diese Frau. Aber diese Person ist tot.“ Wie aus dem sportlichen Mädchen Heidi, das nur dazugehören wollte, Andreas Krieger geworden ist. Ein Text von Michael Horeni mit einer Audio-Slideshow von Niklas Schenck.

          6 Min.

          Andreas Krieger sitzt auf der Wiese und lacht. Die Sonne fällt durch die hohen Bäume, und die Schatten tanzen auf seinem weißen Hemd. Es ist ein schönes, unbeschwertes Bild. Aber dem Fotografen gefällt das Bild nicht. „Können Sie nicht ernster schauen?“, fragt er. Andreas Krieger unterbricht sein Lachen und schaut ernst. Er versteht das. Das Foto würde sonst nicht zur Geschichte passen, zur Geschichte von Andreas Krieger, der als Heidi Krieger für die DDR Erfolge sammelt und jahrelang mit Doping-Mitteln gemästet wird, bis er sich in seinem Körper verliert.

          Andreas Krieger kennt die Kraft, die von seinen Bildern ausgeht, spätestens seit dem 30. Mai 2000, als er im Doping-Prozess gegen die führenden Köpfe des DDR-Sports aussagt. An diesem Tag lastet die Sorge auf ihm, dass man ihm seine Geschichte nicht glaubt, dass man sein Leben und sein Leiden nicht versteht, dass man ihm seine Biographie noch einmal stiehlt. Es ist eine sehr berechtigte Sorge, denn Andreas Krieger weiß ja selbst, wie schwierig das alles zu begreifen ist, was damals mit ihm passierte.

          Er muss das irgendwie klarmachen, sagt er sich. Er geht an den Richtertisch und holt ein Foto von einem fröhlichen Mädchen hervor und sagt dem Richter: „Wir reden über diese Frau. Aber diese Person ist tot.“ Heidi Krieger wollte als Mädchen eigentlich nur dazugehören. Im Sport sieht sie dafür eine perfekte Möglichkeit. Sie wird an eine Sportschule delegiert. Ihre Grundschullehrerin sagt zum Abschied: „So eine wie dich wollen sie da nicht haben.“ Heidi ist laut. Sie ist frech. Und sie raucht.

          „Wir reden über diese Frau. Aber diese Person ist tot”
          „Wir reden über diese Frau. Aber diese Person ist tot” : Bild: picture-alliance / dpa

          Aber Heidi hat Talent und wähnt sich auf dem richtigen Weg. „Ich dachte, wir machen im Sport alle dasselbe und haben dieselbe Begeisterung.“ Aber das war nicht so. „So wie ich gewirkt habe, passte ich nicht rein. Das hat man mich spüren lassen.“ Heidi trägt Röcke wie alle anderen, aber ihr sagt man: „Wenn du einen Rock anziehst, dann lauf wenigstens auch wie eine Frau.“

          Das gute Gefühl verfliegt zu schnell

          In Heidi wächst die Überzeugung, sich Zugehörigkeit nur durch Leistung erarbeiten zu können. Sie mag es, wenn man ihr nach einem erfolgreichen Wettkampf auf die Schulter klopft. Der Körperkontakt gibt ihr ein gutes Gefühl. Sie trainiert hart für dieses gute Gefühl, aber das gute Gefühl verfliegt schnell, zu schnell. „Ich habe nächtelang mit meiner Mutter telefoniert und gefragt: Woran liegt es? Ich bin doch kein schlechter Mensch.“

          Heidi Krieger ist gerade fünfzehn Jahre alt, als ihre Dynamo-Mannschaftskameradin Ilona Slupianek in Moskau 1980 Olympiasiegerin im Kugelstoßen wird. Sie bekommt viel von diesem für Heidi seltenen Gefühl. Die neue Heldin wird von Willi Kühl trainiert, die junge Heidi von dessen Sohn Lutz. Sie trainiert immer härter. 1980 stößt sie die Kugel schon auf 11,93 Meter, der Diskus fliegt 33,92 Meter. Bei der Spartakiade wird sie Zweite.

          „Wie ein wilder Ochse“

          Ein Jahr später sind es beim Kugelstoßen schon über 14 Meter und beim Diskuswerfen über 45 Meter. Das ist eine Leistungsexplosion. Aber Heidi ahnt nicht, wie sie zustande kommt. Schon seit ihrem 13. Lebensjahr bekommt sie Mittel, deren Wirkung sie nicht kennt. Mit 16 Jahren wird Heidi Krieger als „Sportlerin 54“ in das staatlich organisierte Anabolikaprogramm aufgenommen. Ihr Trainer ist mittlerweile Willi Kühl. Er gibt ihr im Jahr 1982 Pillen, von denen er sagt, dass sie damit das Training besser verkraftet. Das Pensum steigt ja immer weiter. Sie versteht das.

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