Handballstar Gottfridsson : Der beste Anführer von allen
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Denken und lenken: Schwedens Regisseur Jim Gottfridsson Bild: EPA
In Schwedens Handballteam übernimmt jeder Spieler Verantwortung – allen voran der nimmermüde Jim Gottfridsson. Der Regisseur denkt und lenkt wie ein Trainer und will es Olympiasieger Frankreich richtig zeigen.
Jim Gottfridsson hat sich daran gewöhnt, der schwedische Dauerläufer zu sein. „Ich habe seit den Olympischen Spielen 2016 fast immer durchgespielt“, sagt er, „ich hatte immer das volle Vertrauen meiner Nationaltrainer.“ Sein derzeitiger Coach macht da keine Ausnahme. Oft genug hält sich Glenn Solberg in den Auszeiten zurück und überlässt es Jim Gottfridsson, den nächsten Angriff vorzubereiten. Auch in Sachen Abwehr hat Gottfridsson ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.
Der 29 Jahre alte Spielmacher hat nämlich den unschätzbaren Vorteil, dass er auch gut decken kann – und zwar nicht außen, wo Trainer ihre Regisseure in der Defensive oft verstecken, sondern auf der ungleich anspruchsvolleren Halbposition. Während andere Spiellenker sich oft auf der Bank ausruhen dürfen, wenn der Gegner angreift, ist Gottfridsson stets vorn und hinten gefragt. Er mag das, er will das so. Pausen sind nichts für ihn. Berücksichtigt man alle Länderspiele seit Sommer 2016, kommt Gottfridsson auf die meisten Einsatzminuten aller schwedischen Nationalspieler.
Der Mann ohne Müdigkeit von der SG Flensburg-Handewitt wird auch an diesem Freitagabend wieder dringend gebraucht. Um 18 Uhr (im F.A.Z.-Liveticker zur Handball-EM) trifft sein Team im Halbfinale dieser Handball-Europameisterschaft in Budapest auf Frankreich. Der Olympiasieger zog den Hals am Mittwochabend durch ein 30:29 gegen Dänemark aus der Schlinge und ließ Island traurig zurück.
Angriffe wie vom Reißbrett
Am Tag davor hatten die schon aussichtslos zurückliegenden Schweden den großen Rivalen aus Norwegen in den letzten Sekunden bezwungen und damit den schwachen Eindruck bei der Heim-EM 2020 endgültig verwischt. Im zweiten Semifinale spielt Weltmeister Dänemark gegen den Titelverteidiger aus Spanien.
Spielintelligenz, Torgefahr, Robustheit in der Abwehr: Jim Gottfridsson bringt alles mit, was einen Weltklassespieler auszeichnet. Die Angriffe der Schweden wirken wie vom Reißbrett. Schnell, hart, genau und sehr häufig überraschend – so sind Gottfridssons Pässe. Und die Nebenleute können damit etwas anfangen. Das ist ein anderes Niveau als im Rückraum der Deutschen, wo Bälle sonst wo hinflogen oder nicht gefangen wurden.
Gottfridsson hat in den Tagen dieser EM verraten, dass er das Spiel wie ein Trainer scannt: „Ich bin ein Handball-Nerd und mache mir über alles Gedanken. Ich möchte noch fünf, sechs Jahre spielen und danach Trainer werden. Das Schönste, was man als Trainer erleben kann, ist, das eigene Land zu trainieren“, sagte er dem Boulevardblatt „Ekspressen“.
Dabei geht es ihm nicht darum, den 20 Jahre älteren Solberg abzulösen. Der Norweger hatte die Schweden erst nach der so enttäuschend verlaufenen EM vor zwei Jahren übernommen. Ein Jahr später führte sie Solberg mit innovativen Methoden zum zweiten Platz bei der WM in Ägypten. Er setzt auf die Eigenverantwortlichkeit der Spieler, ist Partner der Profis, nicht Vorgesetzter. Das passt gut zu dieser Mannschaft voller Anführer. Jim Gottfridsson sagt im Spaß: „Glenn macht es super. Ich werde ihn erst ablösen, wenn er graue Haare hat.“