Belastung rund um EM : Handballspieler im Hamsterrad
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Die Handballer treiben rund um die Turniere ihre Belastungen auf die Spitze. Bild: Reuters
Die Belastung ist immens. Denn im Sommer will keiner Handball sehen. Die Spieler kritisieren die Terminhatz, machen aber mit und profitieren auch von guten Gehältern. Ändern wird sich so schnell nichts.
Das Thema ist gesetzt, bevor der erste EM-Ball geworfen wurde. Die Überbelastung vieler Handballprofis beschäftigt den Sport seit zwei Jahrzehnten. Lösungen fehlen. Wenige Tage vor Beginn der Europameisterschaft hat Bundestrainer Christian Prokop gesagt, was er davon hält, dass es keinen Nationalmannschaftslehrgang im frühen Dezember gab und die Bundesliga noch am 29. Dezember einen Spieltag ansetzte – ehe sich die Auswahlspieler nach drei Tagen Urlaub in Frankfurt versammelten. Prokop sagte: „Ein Vorteil ist diese Situation in keinster Weise für uns, aber wir wissen es seit langem. Ich hätte es gern anders gesehen. Aber entscheidend ist, was wir daraus machen.“
Die Deutschen sind von Verletzungen gebeutelt. Jeder Lehrgangstag mehr, jede Pause für angeschlagene Spieler wäre Gold wert gewesen, die sich trotz einer Blessur womöglich entschieden hätten, die Knochen für den DHB hinzuhalten. Das trifft auf Steffen Weinhold und Fabian Wiede zu, beide Säulen in Prokops Konstrukt, beide verpassen nun die Drei-Länder-EM in Schweden, Norwegen und Österreich. Bewusst haben sie sich entschieden, die nächsten Wochen zur Reha zu nutzen. Nachdem sie abgesagt hatten, spielten sie allerdings noch für ihre Vereine.
Die folgende Diskussion, ob die Liga den Verband im Stich lässt, will Prokop nicht anfachen. Dafür gibt es keine stichhaltigen Argumente, ist es doch so, wie Wiedes Berliner Kollege Paul Drux sagte: „Ich kann verstehen, dass Fabi abgesagt hat. Die Vereine bezahlen uns, und sie können erwarten, dass wir fit sind.“ Prokop hält sich auch deswegen zurück, weil er selbst vom Schulterschluss zwischen HBL und DHB profitiert hat, als vor einem Jahr zusätzliche Lehrgangstage geschaffen wurden und die Liga deutlich vor Silvester endete. Seinerzeit zogen alle an einem Strang, denn die Heim-WM sollte die große Werbung werden. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Prokops Team erreichte das Halbfinale, die Stimmung in den Hallen war phänomenal, der Handball war ein paar Wochen en vogue.
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Nun ist der Sondereffekt aufgebraucht. Prokop hat die schwierige Aufgabe, ein Turnier ohne Heimvorteil, aber mit minimaler Vorbereitung, vielen Absagen und einigen Novizen zu stemmen. Deswegen hat er die Erwartungen an seinen an diesem Mittwoch nominierten EM-Kader heruntergeschraubt. Das Halbfinale soll es schon sein. Aber unter diesen Voraussetzungen wäre auch eine schlechtere Plazierung bei ordentlichen Leistungen akzeptabel.
Die betroffenen Spieler kritisieren die Beanspruchung, machen aber mit, sind sie mit guten Gehältern auch Profiteure dieser Sportart auf Wachstumskurs. Eine Woche nach dem EM-Finale geht die Bundesliga wieder los. Dass es in diesem Jahr auch noch ein Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele gibt und dann Tokio selbst: lieber ausblenden. Im Januar 2021 geht es mit der WM in Ägypten weiter – am fußballfreien Januartermin wollen die Verbände nämlich unbedingt festhalten, sichert der doch satte Einschaltzahlen und Sponsorengelder. Im Sommer will keiner Handball sehen.