Corona-Fälle bei Handball-EM : Deutschland lässt Möglichkeiten für einen Rückzug prüfen
- -Aktualisiert am
Die Mannschaft will weitermachen, sagt Kapitän Johannes Golla. Bild: AFP
Trotz eines massiven Ausbruchs will Deutschland bei der Handball-EM zunächst weiterspielen, beantragt aber die Verlegung der Partie gegen Spanien. Dieser Antrag wird abgelehnt.
Das Thema Heimfahrt ist vom Tisch – aber nur bis auf Weiteres. „Wir lassen von der EHF prüfen, zu welchen Bedingungen ein Rückzug zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist“, sagte Mark Schober am späten Mittwochabend.
Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Handballbundes (DHB) hatte zuvor die Gespräche zusammengefasst, an deren Ende der DHB beschlossen hatte, die EM in Ungarn und der Slowakei trotz zwölf aktiver Corona-Fälle fortzusetzen: „Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir es verantworten können, im Turnier zu bleiben. Die Situation ist sehr dynamisch. Es kann sein, dass wir morgen eine andere Entscheidung treffen. Neben gesundheitlichen haben auch sportliche, rechtliche und wirtschaftliche Abwägungen eine Rolle gespielt.“
Der DHB beantragte bei der EHF formal eine Verlegung des ersten Hauptrundenspiels gegen Spanien von diesem Donnerstag (18.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Handball-EM, in der ARD und bei sportdeutschland.tv) auf den Samstag oder Montag. Dies lehnte die EHF am Donnerstagmittag ab. Bei der Entscheidung seien mehrere Faktoren berücksichtigt worden, teilte die EHF mit. Dazu gehörten unter anderem die sportliche Situation beim deutschen Gegner Spanien, die bestehenden TV-Verträge sowie die allgemeine Mediensituation, die Arena-Ausstattung einschließlich der Verfügbarkeit von Schlüsselpersonal.
Am Mittwochabend hatten DHB, die Handball-Bundesliga und die EHF stundenlang debattiert. Mark Schober ist selbst Mitglied in der Exekutive der EHF, er kennt also beide Seiten. Dabei soll das Thema kurzfristige Abreise schnell vom Tisch gewesen sein. Aus der Zentrale des Europäischen Handballverbandes (EHF) soll Präsident Michael Wiederer gegenüber dem DHB die hohen Regressforderungen zum Gespräch gebracht haben. Sollte sich der DHB vom Turnier zurückziehen, wären sie an die EHF zu zahlen. Es geht offenbar um einen siebenstelligen Betrag, der fällig würde, sollten deutsche Spiele ausfallen – die EHF stünde bei Sponsoren und Fernsehsendern im Wort.
Die Höhe einer möglichen Summe könne er nicht beziffern, sagte Schober. Auch wenn der DHB als Gastgeber der EM 2024 bestimmten Zwängen unterläge, sei ein Rückzug möglich, sagte der Vorstands-Chef. Höhere Gewalt liege nicht vor, weil noch genügend spielfähige Akteure im Kader des DHB vorhanden seien oder dazukommen.
Drei Spieler werden nachnominiert
Ein Meinungsbild innerhalb der Mannschaft hatte der DHB auch schon eingeholt. „Wir haben alle Spieler gefragt, ob sie aus dem Turnier aussteigen möchten“, sagte Sportvorstand Axel Kromer, „keiner hat sich gemeldet.“ Dazu sagte Kapitän Johannes Golla in einem DHB-Statement: „Wir haben in der Mannschaft darüber gesprochen, wie wir das Turnier fortsetzen und zu Ende bringen können. Das ist unser klares Ziel, alles andere war nicht unsere Thema.“ Aus der Liga kommen längst kritische Töne. „Es hat keinen Sinn, immer wieder mit Spielern aus der Bundesliga nachzuladen“, sagte HBL-Präsident Uwe Schwenker.
Erst einmal wurde doch wieder „nachgeladen“ und die Bundesligaprofis Lukas Stutzke und David Schmidt vom Bergischen HC sowie Tobias Reichmann von der MT Melsungen nachnominiert. Alle drei sind nach den angepassten EHF-Regularien am Donnerstagabend gegen Spanien einsatzbereit, da ihre PCR-Tests negativ waren.
Das Ausstiegsszenario war greifbar geworden, weil am Mittwochnachmittag drei weitere Spieler mit positiven Corona-Tests ausfielen und sich in ihren Hotelzimmern isolierten: Christoph Steinert, Sebastian Heymann und Djibril M’Bengue. Auch ein Mitglied des Funktionsteams sei betroffen, teilte der DHB am frühen Abend mit. Das sind die Fälle zehn bis zwölf im Lager der deutschen Nationalspieler bei der EM. Das Nachmittagstraining in der Ondrej-Nepela-Arena war daraufhin freiwillig. Inzwischen gehören 28 Spieler zum DHB-Kader.
Mit Stand Donnerstagmittag hatte Gislason 16 einsatzfähige Profis zur Verfügung: sechs aus seiner ursprünglichen Gruppe, die am Dienstag nachnominierten Rune Dahmke, Johannes Bitter, Paul Drux, Sebastian Firnhaber und Fabian Wiede sowie Patrick Zieker und Torwart Daniel Rebmann – sie erreichten die slowakische Hauptstadt am Mittwoch. Dazu kommen die nun frisch nachnominierten drei Profis. Am Mittwochabend war bereits klargeworden, dass Julius Kühn nicht aus seiner Quarantäne zurückkehren würde. Sein erster PCR-Test nach Beendigung der Quarantäne war positiv und er bleibt isoliert.
Dass es nicht selbstverständlich ist, dass Spieler nach der Quarantäne in voller Fitness zurückkehren, zeigt das Beispiel Timo Kastening: Dem „Spiegel“ verriet er, dass er unter Hals- und Kopfschmerzen und Husten leide: „Ich bin skeptisch, ob es bei dieser Endrunde noch mit einem Einsatz klappt.“ Theoretisch hätte Kastening am Sonntag wieder dabei sein können. Er hatte sich am Montag nach positivem Test in Isolation begeben.