EM-Schock für Handball-Team : Brutale Schlusspointe
- -Aktualisiert am
Die Gesichter sprechen Bände: Die deutschen Handball-Nationalspieler nach der Niederlage gegen Kroatien. Bild: dpa
Dass beim Handball in 15 Minuten mehr passieren kann als in anderen Sportarten in drei Spielen, bekommen die Deutschen bei der EM gegen Kroatien bitter zu spüren. Prokops Mannschaft stößt an die Grenze des Machbaren.
Manchmal können Sportler nach großen Siegen die Stätte des Triumphes einfach nicht verlassen. Aber es gibt auch diesen anderen Fall, wenn das Unglück sie irgendwie an den Ort zu ketten scheint. Als gäbe es noch irgendetwas zu gewinnen, nachdem doch schon alles verloren ist. Trost vielleicht, oder eine Erklärung dafür, warum es so hatte kommen müssen.

Sportredakteur.
Andreas Wolff war so ein Fall am Samstagabend. Das Parkett der Wiener Stadthalle hatte sich schon geleert, die deutschen Spieler waren in Richtung Kabine verschwunden, während die kroatischen gar nicht genug kriegen konnten vom Feiern mit ihren Fans. Immer wieder brandete aus irgendeiner Ecke Jubel auf, wurde mit Inbrunst das kroatische Karo geschwenkt.
Wolff schlenderte unterdessen scheinbar ziellos umher, ließ sich noch einmal auf die verlassene Ersatzbank fallen, wo noch ein paar Handtücher lagen, wechselte ein paar Worte mit kroatischen Spielern, man kennt sich ja lange. Das Warum aber wird in diesem Moment noch nicht zu fassen gewesen sein für den Torhüter, der zuvor so herausragend gehalten hatte.
Nur noch minimale theoretische Chance
Warum dieses Spiel nach einer Fünf-Tore-Führung und dem bislang besten Auftritt bei dieser Handball-Europameisterschaft noch verloren gehen konnte. So, dass es für die Mannschaft von Christian Prokop jetzt an diesem Montag gegen Österreich (20.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Handball-EM und ARD) und am Mittwoch gegen Tschechien (20:30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Handball-EM und ZDF) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nur noch um die Ränge ab Position fünf geht anstatt um das ursprünglich angepeilte Halbfinale.
In den Katakomben der Stadthalle drehte es sich immer wieder um diese zweite Halbzeit, die vermaledeiten letzten zehn oder fünfzehn Minuten. Die Crunchtime gegen die Kroaten. In die Schlussviertelstunde war Prokops Team zwar nurmehr mit knappem Vorsprung gegangen, zwei Tore waren es aber immer noch. Doch dann kam alles zusammen, was nicht hätte zusammenkommen dürfen: Ballverluste, überhastete Abschlüsse, Fehlwürfe – und zuletzt eine verhängnisvolle Zeitstrafe gegen Hendrik Pekeler, das 24:25, das Ende aller Halbfinal-Hoffnungen.
„Der Stachel“, sagte Uwe Gensheimer, „sitzt tief.“ Der Kapitän lobte sein Team für den großen Kampf, aber diese brutale Schlusspointe, dass Kroatien zu Beginn 1:0 und 2:1, dann aber erst wieder kurz vor Ultimo geführt hatte, schien ihm nicht in den Kopf zu wollen: „Das tut einfach nur weh.“ Der Handball zieht ja seinen Reiz aus dieser ungeheuren Verdichtung, dass in 15 Minuten mehr passieren kann als in anderen Sportarten in drei Spielen. Ein großes, aber manchmal auch ein grausames Drama.
Panorama individueller Fehler
Es beginnt am Samstagabend, beim Stand von 21:19, mit einem Pfostentreffer Häfners, der überragende Stepancic bringt Kroatien auf ein Tor heran. Noch einmal schraubt sich Kühn in die Luft, 22:20, wieder eine Zwei-Tore-Führung. Was die Deutschen aber noch nicht wissen: Es wird ihr letzter Treffer aus dem Feld gewesen sein. Beim Stand von 22:21 scheitert Kohlbacher vom Kreis am Torwart, und nachdem die Kroaten zum 22:22 ausgeglichen haben, häufen sich die Fehler.

Technischer Fehler Kastening, Kühn fängt den Ball nicht, Webers Wurf geblockt. Jetzt ist es Wolff, der seine Mannschaft im Spiel hält, drei Paraden von ihm sorgen dafür, dass es beim Unentschieden bleibt. Es geht jetzt wirklich um alles, und noch zwei Mal sieht es so aus, als könnten die Deutschen das Spielglück auf ihre Seite zwingen. Zwei Mal bringt Reichmann sein Team per Siebenmeter in Führung, zwei Mal bekommen die Deutschen die Chance, wieder auf zwei Tore davonzuziehen. Doch Schmidt rennt kopflos ins Stürmerfoul, Häfner spielt einen verheerenden Fehlpass, 24:24, und Kühn wirft den nächsten Ball – vorbei.