Zuschauerinnen beim Fußball : Historischer Tag für Frauenrechte in Iran
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Irans Frauen im Fußballstadion: zum ersten Mal nach 40 Jahren Bild: Reuters
Irans Frauen durften erstmals nach fast 40 Jahren ins Fußballstadion. Von ihrer Nationalmannschaft bekamen sie dann auch gleich ein Schützenfest als Geschenk – und einen speziellen Dank.
Zum ersten Mal nach fast 40 Jahren haben Frauen in der Islamischen Republik Iran ungehinderten Zutritt in ein Fußball-Stadion erhalten. Für das WM-Qualifikationsspiel gegen Kambodscha an diesem Donnerstag kamen Medienberichten zufolge zwischen 3500 und 4000 Frauen erstmals mit einem frei zu kaufenden Ticket ins Asadi Stadion in Teheran.
Die Frauen konnten einen 14:0 (7:0)-Kantersieg ihrer Mannschaft bejubeln. Das von dem früheren Schalker Profi Marc Wilmots trainierte Team übernahm mit dem zweiten Sieg im zweiten Spiel die Tabellenführung der Gruppe C in der zweiten Phase der asiatischen WM-Qualifikation. Irans Fußballer um Kapitän Massud Schodschaei gingen nach dem Abpfiff zu den Frauentribünen und bedankten sich bei ihren neugewonnen weiblichen Fans.
Für die Iranerinnen geht es aber um mehr als nur Fußball. Für sie ist es ein großer Erfolg in ihrem jahrzehntelangen Kampf gegen die strengen islamischen Vorschriften des erzkonservativen Klerus und gegen ihre Diskriminierung im Land. Schon vier Stunden vor dem Spiel kamen die Frauen mit Iran-Flaggen umhüllt und „Victory“-Zeichen im Asadi Sportkomplex an. Einige von ihnen weinten gar vor Glück. Unter dem Hashtag „Komm mit mir ins Stadion“ reflektieren sie mit Bildern und Videos ihren ersten Stadionbesuch - und den damit verbundenen historischen Tabubruch. Beim Verlassen des Stadions riefen die Frauen dann alle gemeinsam: „Asadi (Stadion), bleib uns erhalten bis zum nächsten Mal.“
Zu diesem Erfolg trug auch der Weltfußballverband (Fifa) bei. Die Fifa hatte die Aufhebung des geltenden Verbots, das Frauen nach Lesart der erzkonservativen Geistlichen vor dem Anblick halbnackter Männer und einem vulgären Umfeld bewahren soll, gefordert. Die Diskriminierung von Frauen ist laut der Statuten des Weltverbandes verboten. Die Fifa hatte als Sanktion mit dem Ausschluss der Nationalmannschaft von allen Wettbewerben bis hin zur Fußball-WM 2022 in Qatar gedroht - daraufhin hatte der iranische Fußball-Verband (FFIRI) nachgegeben.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass das passieren wird“, sagte Fußball-Journalistin Raha Poorbakhsh der französischen Nachrichtenagentur AFP: „Nach all den Jahren, in denen ich in diesem Bereich arbeite, in denen ich alles im Fernsehen gesehen habe, kann ich jetzt alles persönlich erleben“, sagte Poorbakhsh.
Für die Frauen hatte das Sportministerium vier separate Tribünen mit einer Kapazität von ungefähr 4000 Sitzen errichtet. Außerdem wurden extra für die Frauen weibliche Polizisten, Notärzte und Stadionführer eingesetzt. Die Frauen-Tickets war in kürzester Zeit ausverkauft. Daher fordern die Frauen für die nächsten Spiele zumindest zwei weitere Tribünen und ein höheres Ticketkontingent. Für Kritik sorgten die extra für das Spiel umgebauten Zäune, die die vier Frauentribünen von denen der Männer trennen sollen.
„Wollt ihr uns etwa in einen Käfig sperren, um uns vor den Männern zu schützen“, protestierte eine Iranerin auf Twitter. Außerdem fordern sie vom Sportministerium Familien- und nicht nur Frauentribünen, damit auch ihre Ehemänner und Söhne sie begleiten können. Wegen der Frauen-Premiere war auch das Medien-Interesse sehr groß. Es gab jedoch Einschränkungen seitens der Behörden. Weiblichen Fotografen wurden keine Akkreditierungen gegeben, obwohl dies vom Sportministerium vorher versprochen worden war. Die männlichen Fotografen und TV-Teams durften zudem keine Bilder vom Eintritt der Frauen ins Stadion machen.
Für Entsetzen hatte der Tod der Iranerin Sahar Khodayari gesorgt, die sich selbst in Brand gesetzt hatte. Die 30-Jährige sollte sich am 2. September wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Beleidigung der Polizei vor Gericht verantworten. Die Anhörung wurde zwar verschoben, dennoch soll Khodayari bei dem Termin erfahren haben, dass ihr bis zu sechs Monate Haft drohen.
Sie hatte im März versucht, bei einem Spiel ihres Lieblingsvereins Esteghlal Teheran in der asiatischen Champions League als Mann verkleidet ins Azadi-Stadion zu gelangen. Als Reaktion auf die drohende Gefängnisstrafe zündete sich Khodayari vor dem Gerichtsgebäude an und erlitt dabei schwere Verbrennungen, denen sie erlag.