Die Zukunft des Fußballs : „Die Spieler wollen selbst eine Marke sein“
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Was für ’ne Marke: Der Dortmunder Aubameyang macht mit seiner Marketingaktion auf die Machtlosigkeit des BVB sichtbar. Bild: dpa
Was hat Ronaldo mit den Rolling Stones gemeinsam? Im Interview spricht das frühere HSV-Vorstandsmitglied Katja Kraus über die Machtverluste und Versäumnisse der Bundesliga sowie die neue Rolle der Trainer.
Katja Kraus hat im Fußballgeschäft auf verschiedenen Feldern Karriere gemacht. Als Torfrau wurde sie dreimal deutsche Meisterin, Europameisterin und WM-Zweite. Fünf Jahre war sie Pressesprecherin von Eintracht Frankfurt, beim Hamburger SV acht Jahre lang im Bereich Marketing und Kommunikation die erste Frau im Vorstand eines Bundesligaklubs. Seit 2013 ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der Sportmarketingagentur Jung von Matt/sports und seit drei Jahren Mitglied des Aufsichtsrats von Adidas. Katja Kraus hat zwei Bücher veröffentlicht, darunter „Macht – Geschichten von Erfolg und Scheitern“.
Stellen wir uns mal vor: Im Jahr 2030 findet die WM mit 48 Mannschaften in China statt. Wer wird bis dahin zum größten Gewinner: Verbände, Vereine, Spieler oder Sponsoren?
Im geschlossenen System des Fußballgeschäfts wird es nicht den einen Gewinner geben. Entweder gibt es eine Menge Gewinner – oder eine Menge Verlierer. In den vergangenen Jahren ist der Fußballmarkt rasant gewachsen, und zumindest bis 2024, wenn die EM hoffentlich in Deutschland stattfinden wird, ist absehbar, dass das Gesamtinteresse nicht nachlassen wird. Dennoch ist es notwendig, dass die Klubs aus dieser Erfolgsblase heraustreten und ihr Unternehmen strategisch auf die Anforderungen der Zukunft vorbereiten.
Wo liegen die Defizite?
Der Fußball hat lange davon profitiert, dass er zu einem wesentlichen Begleitaspekt unserer gesamten Gesellschaft aufgestiegen ist – und bisher keine Krisen kennt. Selbst in der Finanzkrise, als wir uns beim HSV dafür gewappnet hatten, was auf uns zukommen könnte, wenn die Freizeitbudgets der Menschen geringer werden, gab es nicht mal eine kleine Delle. Im Gegenteil, in der Krise bekommen liebgewonnene Gewohnheiten und Rituale eine noch größere Bedeutung für die Menschen. Es wäre allerdings ein Fehler, diese Gewissheit auch in Zukunft zur Maßgabe der Unternehmensführung zu machen. Dazu verändert sich die Gesellschaft zu eklatant.
Was verändert sich?
Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass junge Menschen zu Anhängern des Vereins der Stadt werden, in der sie aufwachsen oder mit dem sie ihr erstes nostalgisches Stadionerlebnis verbinden. Bisher sind den Klubs die Fans und Kunden zugelaufen. In Zukunft werden sie sich darum kümmern müssen, Anhänger zu gewinnen und langfristig an sich zu binden. Kleine Hamburger Jungs sind schon heute nicht mehr automatisch Fan vom HSV oder St. Pauli. Die schauen nach den besten Spielern in Europa – und tragen deren Trikots. Kinder und Jugendliche fokussieren sich auf absolute Topstars wie Ronaldo, Messi oder Neymar. Und wegen dieser Topstars werden dann Real Madrid oder der FC Barcelona ihre Lieblingsklubs. Da denken Kinder schon ganz global. Lebenslange Vereinstreue hat sich überholt, Loyalität ist kein unumstößlicher Wert mehr.
Welche anderen Entwicklungen unterschätzt der Fußball womöglich?