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Newcomer beim DFB : Die Spur des Wolfs

  • -Aktualisiert am

Erstaunlich spät in der Nationalmannschaft angekommen: Marius Wolf Bild: Imago

Der Dortmunder Fleißarbeiter Marius Wolf bietet sich als Problemlöser im Nationalteam an. Noch während der WM in Qatar dachte er an alles andere als an Fußball.

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          In ein paar Wochen, wenn die Saison der Bundesliga vorbei ist, endet auch die Karriere von Kevin-Prince Boateng. Vor Kurzem wurde er 36 Jahre alt, im vergangenen Sommer hat er angekündigt, dass diese Spielzeit bei Hertha BSC seine letzte sein soll. In Berlin kommt er nur noch zu kurzen Einsätzen, fast zwei Jahrzehnte als Berufsfußballer haben auch körperlich Spuren hinterlassen. Das sind gute Gründe für ein Karriereende.

          Tobias Rabe
          Verantwortlicher Redakteur für Sport Online.

          Ein anderer Grund, den Boateng sich selbst auferlegt hatte, dürfte schon bald nicht mehr gelten. Als er in der Saison 2017/2018 in Frankfurt spielte, begeisterte ihn ein Mitspieler, mit dem er sich auch abseits des Rasens blendend verstand. Also plazierte Boateng eine Wette auf seinen Kumpel: „Wenn Marius Wolf kein Nationalspieler wird, dann höre ich auf.“ Nun, fast fünf Jahre später, kann Boateng den Satz leicht abwandeln: „Wenn Marius Wolf Nationalspieler wird, höre ich auf.“

          Noch, das muss dieser Tage formhalber erwähnt werden, wenn man den Spuren des Marius Wolf in die deutsche Auswahl folgt, ist er offiziell kein Nationalspieler – sieht man von einem Einsatz in der U 20 im Jahr 2015 ab. Doch nach der Nominierung von Bundestrainer Hansi Flick und den ersten Eindrücken im Kreis der ersten Mannschaft des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wäre es überraschend, wenn Wolf in den Testspielen am Samstag (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Nationalmannschaft und im ZDF) gegen Peru in Mainz und am Dienstag (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Nationalmannschaft und bei RTL) gegen Belgien in Köln nicht zum Einsatz käme.

          Wolf ist einer von sechs Spielern im Kader ohne Länderspiel. Aber im Gegensatz zu den jüngeren Mergim Berisha, Malick Thiaw, Josha Vagnoman, Kevin Schade und Felix Nmecha steht er mit 27 Jahren schon in der Mitte der Laufbahn. Vergessen hat Wolf die schweren Zeiten zu Beginn nicht. Als es mit 20 in Hannover in der Bundesliga losgehen sollte, wurde er in die zweite Mannschaft in der Regionalliga „abgeschoben“, wie er sich am Mittwoch erinnerte. „Vielleicht war es gut, dass das so früh in meiner Karriere passierte. So wusste ich, was ich tun muss, damit sowas eben nicht mehr passiert.“ Erst in Frankfurt, wo er im Mittelfeld eingesetzt wurde, erkannte nicht nur Kumpel Boateng, was in Wolf steckt.

          „Wenn Marius Wolf kein Nationalspieler wird, dann höre ich auf“, sagte Kevin-Price Boateng zu gemeinsamen Frankfurter Zeiten.
          „Wenn Marius Wolf kein Nationalspieler wird, dann höre ich auf“, sagte Kevin-Price Boateng zu gemeinsamen Frankfurter Zeiten. : Bild: Jan Huebner

          Der Wechsel nach Dortmund Mitte 2018 sollte der nächste Schritt nach vorne sein, wurde indes zunächst zum Rückschritt. Ausleihen zu Hertha BSC und zum 1. FC Köln für je eine Spielzeit dokumentierten Wolfs geringen Wert für den BVB. Erst danach machte Wolf den Fortschritt, den er sich drei Jahre vorher erhofft hatte. Unter dem neuen Trainer Marco Rose steigerten sich seine Einsatzzeiten.

          Interessant für die Nationalmannschaft wurde Wolf, der zu Beginn in Dortmund gar mal als Mittelstürmer aufgestellt wurde, aber erst nach der WM-Pause, als Edin Terzić ihn als Rechtsverteidiger einsetzte – eine Position, die auch beim DFB-Team eine Problemstelle ist. Die Dortmunder Lösung könnte auch die deutsche sein. Terzić jedenfalls klingt begeistert: „Er hat bewiesen, dass man sich bei uns mit Arbeit und Fleiß alles erarbeiten kann.“

          Wolfs Wechsel nach Dortmund wurde zunächst zum Rückschritt.
          Wolfs Wechsel nach Dortmund wurde zunächst zum Rückschritt. : Bild: Huebner

          Wer verstehen will, was Wolf auszeichnet, sollte ihn nicht nur im Spiel beobachten, sondern auch im Training. Dort fällt er nicht alleine ob seines blonden Zopfes auf. Wolf zeigt weniger Kunst, sondern mehr Kampf. Das lobt auch sein Dortmunder Mitspieler Emre Can. „Mir hat immer schon gefallen, wie er trainiert hat. Er hat Gas gegeben, nie gemeckert. Marius kann ein wichtiger Spieler für die Nationalmannschaft werden.“ Es sei kein Geheimnis, dass sich auf der Position des Rechtsverteidigers seit Jahren kein Spieler festgespielt habe. „Marius kann die Chance nutzen, ich traue ihm das zu.“

          Es klingt, als wolle Flick vor der Europameisterschaft nicht nur das Dortmunder Erfolgsmodell ausprobieren, sondern auch das argentinische. „Emre Can und Marius Wolf stehen dafür, dass Dortmund derzeit so gut dasteht. Beide haben die Mentalität, die wir brauchen.“ Daran soll es bei Wolf nie mangeln. „Das Kämpferische zeichnet mich aus. Bei mir gibt es immer nur 100 Prozent“, sagte er.

          Rund um die WM in Qatar hatte Wolf abermals eine schwere Zeit, wie er den „Ruhr Nachrichten“ verriet. „Ich hatte Vorhofflimmern im Herzen. Der Herzrhythmus war nicht normal. Da wird dir mulmig und komisch.“ Im November wurde gesagt, „dass ich die OP machen muss“. Das habe ihn schwer belastet. „Es war eine schlaflose Nacht. Ich wusste nicht, was los ist.“ An Fußball habe er zwischen Diagnose und Operation nicht gedacht. Ihm sei nur wichtig gewesen, „dass du nach der OP aufwachst, alles ist gut und es wird wieder alles wie davor“.

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