Thomas Hitzlsperger im Gespräch : „Ich will keine Ikone einer Schwulenbewegung werden“
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„Im internationalen Profifußball ist Homosexualität immer noch ein Tabuthema“: Thomas Hitzlsperger Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Schluss mit Klischees und dummen Witzen: Thomas Hitzlsperger spricht im FAZ.NET-Interview über die Chancen seines Coming-outs und die riesige Resonanz. Die Rolle einer Ikone der Schwulenbewegung will er aber nicht einnehmen.
Wie haben Sie die Reaktionen auf Ihr Coming-out empfunden? Und was haben Sie an unmittelbarer Reaktion erfahren, vor allem von ehemaligen Mitspielern und Trainern?
Ich habe durchaus mit einem großen Medienecho gerechnet, aber die Welle der Resonanz hat meine Erwartungen weit übertroffen. Gefreut habe ich mich über die vielen positiven Kommentare, die mir Mut und Respekt gezollt haben. Dazu zählen auch ehemalige Teamkollegen, bekannte Profispieler und Trainer.
Sie sind von dem uneingeschränkt positiven öffentlichen Echo überrascht - aber glauben Sie, dass einige der Komplimente nur der Political Correctness geschuldet sind, weil man eben weiß, was man öffentlich sagen darf und was nicht?
Ich habe mich im Vorfeld meiner Erklärung gut vorbereitet und auch überlegt, wer sich wohl unmittelbar nach meinem Schritt in die Öffentlichkeit äußern wird. Die Beifallsprognose traf auch in vielen Fällen zu. Aber ich muss auch sagen, einige Kommentare haben mich berührt. Zahlreiche Kommentare, die mich über meine Webpage erreichen, belegen, dass ihnen meine Entscheidung Mut macht. Insbesondere im Fall einiger junger Fußballer, die ihre Laufbahn noch vor sich haben.
In den Internetforen oder bei Leserkommentaren ist hingegen neben großer Zustimmung eine mitunter deutliche Zurückhaltung zu spüren. Es gibt neben Kritik auch die weit verbreitete Haltung, man halte die ganze Diskussion um Homosexualität für überflüssig. Welche Erklärung haben Sie dafür?
Eine Resonanz dieser Größenordnung ist ein Indikator dafür, dass es bei diesem Thema in der Gesellschaft gärt. Eine Diskussion ist hier nicht überflüssig, sondern überfällig. Hoffentlich müssen wir irgendwann darüber nicht mehr sprechen oder schreiben, wenn sich ein Profisportler zu seiner Homosexualität erklärt.
Haben Sie mitbekommen, dass der „Kicker“, das traditionsreichste deutsche Fußballmagazin, Ihr Outing ausdrücklich nicht thematisierte, weil Privatleben eben Privatleben sei. Hätten Sie dieses Ignorieren durch eine Fußball-Institution für möglich gehalten?
Wenn der „Kicker“ ein so überfälliges Thema bewusst nicht aufgreift, dann wird er dafür seine Gründe haben. Spekulieren möchte ich darüber nicht. An der öffentlichen Diskussion führt kein Weg vorbei. Die Augen zu verschließen ist ein Statement.
Im Zuge Ihres Coming-outs gibt es in Baden-Württemberg Diskussionen über das Thema Homosexualität im Unterricht. Die Kirchen lehnen eine Aufwertung des Themas in der Schule strikt ab. Kinder und Jugendliche dürften bei ihrer Suche nach der sexuellen Identität nicht beeinflusst werden. Wie sehen Sie das?
Die Frage nach der eigenen sexuellen Orientierung ist immer eine persönliche Angelegenheit. Ich selber habe diese Frage erst später und mit den Jahren reflektiert. Dieser Prozess braucht Zeit. Jeder Heranwachsende sollte die Unterstützung erhalten, die er benötigt, um sich seiner eigenen sexuellen Orientierung gewiss zu werden.
Klaus Wowereit wünscht sich, dass Sie eine aktive Rolle über Ihr Coming-out hinaus übernehmen. Was kann man von Ihnen in Zukunft in Ihrer Rolle als Vorkämpfer beim Thema Homosexualität und Fußball erwarten?