Thomas Eichin : Aufbruch an der Weser
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Smart und eloquent: Thomas Eichin Bild: dpa
In nur vier Monaten hat es Sportdirektor Thomas Eichin auf diskrete Weise geschafft, dem Fußball-Bundesligaklub SV Werder Bremen ein neues Gesicht zu geben.
An Urlaub sei nicht zu denken, sagt Thomas Eichin: „Vielleicht irgendwann mal eine Woche, wenn die Transferperiode vorbei ist. Aber derzeit noch nicht.“ Der Bremer Sportdirektor hat einfach zu viel zu tun, und zwar nicht nur die neue Mannschaft und ihr Trainerteam betreffend. Eichin ist gerade dabei, einen ganzen Verein umzubauen.
Er will dabei den Rückenwind nutzen: Seit Werder vor drei Wochen den Klassenverbleib geschafft hat und am Dienstag in Robin Dutt den neuen Cheftrainer vorstellte, herrscht Aufbruchstimmung an der Weser. Eichin sagt: „Bei Dutt denken alle: Ja, das passt zu Werder.“ In der Bundesliga-Szene fanden es viele bemerkenswert, dass bei den angeschlagenen Bremern nun einer sitzt, der sich traut, den Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bunds anzubaggern - und ihn auch bekommt. Niemand sollte Werder nach den schlechten Leistungen der vergangenen drei Jahre abschreiben, das ist das Signal von der Weser.
Hinter der erhofften Imagekorrektur steckt der 46 Jahre alte Eichin. In nur vier Monaten hat er den Klub umgekrempelt. Eichin sagt: „Die Leute merken, dass hier keine Typen am Werk sind, die alles über den Haufen werfen wollen. Aber welche, die anpacken wollen. Robin Dutt steht jetzt für eine neue Komponente, für Aufbruch.“ Am Freitag wurde bekannt, dass der defensive Mittelfeldspieler Cedrick Makiadi vom SC Freiburg nach Bremen wechselt. Bei seiner Vorstellung versprach der ehemalige Freiburger Trainer Dutt einen attraktiven Fußballstil mit Emotionen. Damit würde er an alles Gute der Ära Schaaf anknüpfen.
Smart und wortgewandt
Eichin selbst hat sich seit Jobbeginn am 15. Februar 2013 verändert. Smart und wortgewandt wie ein amerikanischer Unternehmenslenker war er schon damals. Nun ist noch etwas dazugekommen: Wie er im Alleingang das komplizierte Ende der Ära Schaaf moderiert hat, brachte ihm viel Zustimmung ein. Das Ganze habe Spuren hinterlassen, sagt er: „Ich habe nicht erwartet, dass ich hier gleich so in die Bütt muss. Für mich war das ein Crash-Kurs. Ich habe aus meiner Kölner Zeit Erfahrung, wie man sich in der Krise verhält - aber Fußball ist eben doch anders als Eishockey.“
Bei den Kölner Haien musste Eichin zwei Beinahepleiten durchstehen. Das mediale Gewitter in Bremen sei durch die bundesweite Relevanz eines Klubs wie Werder aber doch ein anderes gewesen. „Ich habe schon gedacht, dass es in Bremen etwas ruhiger ist“, sagt Eichin, „aber das Fernsehen war jeden Tag da, und die ,Bild’ macht auch hier eine Seite pro Tag.“ Je tiefer die Bremer in der Tabelle rutschten, desto mehr war der Krisenmanager Eichin gefragt. Meistens wirkte er souverän. Er sagt: „Ich bin eigentlich impulsiv. Aber hier hat es besser gepasst, ruhig zu bleiben.“
Dabei hatte er in den ersten Tagen damit leben müssen, als kleines Rad im Bremer Betrieb mit Schaaf als Allmächtigem wahrgenommen zu werden. Eichin sagt: „Erst war ich derjenige, der nichts zu entscheiden hatte, dann plötzlich der starke Mann - ich gebe nicht viel auf solche Zuschreibungen. Ich sehe mich als Teamplayer, dessen Hauptaufgabe es ist, dass der Laden läuft.“
Eichin war in den schweren Zeiten im April und Mai der einzige, der den Kopf hinhielt und das Handy eingeschaltet ließ - die Führungsfiguren Willi Lemke und Klaus-Dieter Fischer versteckten sich. „Wir haben immer einen Plan verfolgt“, sagt Eichin, „wir sind cool geblieben, haben an Thomas Schaaf festgehalten. Natürlich ist uns eine Zentnerlast von den Schultern gefallen, als wir dringeblieben sind. Danach ging es darum, mit der Personalie Trainer verantwortungsvoll umzugehen.“ Dabei ist herauszuhören, dass Eichin ein Neubeginn ohne Schaaf lieber ist. Es ist ihm gelungen, das Ganze ohne Gesichtsverlust zu makeln. So wurde aus dem No-Name-Bundesliga-Manager im Schnellkurs einer, dem man nun zutraut, zusammen mit Dutt aus Werder Bremen wieder eine gute Adresse zu machen.
Man merkt ihm an, dass er sich freut, wie diskret die Personalie Dutt behandelt wurde. Langjährige Bekannte sind die beiden nicht. Bei einem U-19-Länderspiel vor ein paar Monaten schüttelten sie sich zum ersten Mal die Hand; im April, als Dutt das Bremer Nachwuchsleistungszentrum besuchte, sprachen sie zwei Stunden miteinander. Man blieb in Kontakt. „Dutt war nicht im Fokus der Medien als Werder-Trainer. Das ist ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass man hier auch mal schweigen kann“, sagt Eichin. Bei den Geschäftsführer-Kollegen sei der Name Dutt „positiv behaftet“, sagt Eichin: „Und der Aufsichtsrat vertraut der Geschäftsführung.“ So bekam der Sportchef seinen Wunschtrainer.
Werder hat an Strahlkraft eingebüßt
Es gehe jetzt erst einmal darum, sich kennenzulernen, sagt Eichin. Er will nicht gleich von einer möglichen neuen Zeit sprechen und auch keinen Vergleich mit Klaus Allofs und Thomas Schaaf. „Man muss honorieren, was die beiden geleistet haben. Sie haben eine großartige Ära geprägt, an deren Ende dann leider weniger Erfolg stand.“ Es sei noch zu früh, um zu charakterisieren, wofür er und Dutt stünden: „Wir wollen nicht jetzt schon definieren, was sein wird. Wir müssen eine stabile Mannschaft für die neue Saison bekommen. Das zählt als Erstes. Noch haben wir gar nichts geschafft.“
Werder Bremen hat erheblich an Strahlkraft eingebüßt, Geld ist kaum noch vorhanden - Dutt und Eichin werden daran gemessen werden, ob sie Nachwuchsspieler zu Profis formen können. Dass es den beiden für den Moment gelungen ist, rund ums Weserstadion wieder Lust auf Fußball zu erzeugen, ist schon mal ein guter Anfang.