Thomas Brdaric im Gespräch : „Ich habe zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen“
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Ist die Bundesliga schon in Sicht? Thomas Brdaric ist nun Trainer in Neustrelitz Bild: picture alliance / INSIDE-PICTUR
Nach seiner Karriere ging Thomas Brdaric nach Minsk und Taschkent. Nun ist er Fußballtrainer in Neustrelitz und trifft im DFB-Pokal auf Freiburg (15.30 Uhr). Im F.A.Z.-Interview spricht er über seine Wanderjahre, die Ruhe in Mecklenburg und seine Bundesliga-Ambitionen.
Als Bundesligaprofi absolvierte der Angreifer acht Länderspiele für Deutschland. Nach seinem Karriereende 2008 trainierte er zunächst Union Solingen sowie Jugendteams in Leverkusen und Uerdingen, ehe es ihn weit in den Osten verschlug. Mit der TSG Neustrelitz will der 38-Jährige an diesem Samstag (15.30 Uhr / Live DFB-Pokal-Liveticker bei FAZ.NET) versuchen, den SC Freiburg zu ärgern.
Wir hatten Sie ehrlich gesagt ein bisschen aus den Augen verloren. Aber Sie haben offensichtlich auch eine ziemliche Odyssee hinter sich...
Es führen ja mehrere Wege nach Rom. Aber die Art und Weise war schon ein bisschen kompliziert, das gebe ich zu.
Sie sind 2011 als Sportdirektor zu Dynamo Minsk gegangen, dann nach Taschkent in Usbekistan, und haben obendrein die Uefa-Pro-Lizenz (die dem Fußballlehrer entspricht) in Kiew gemacht. Das klingt nach einem ziemlichen Abenteuer.
Ich suche mir meine Engagements jetzt nicht nach Abenteuer aus. Aber solche Fußballverrückten wie mich, die es wagen und so ein Risiko eingehen, gibt es auch nicht so viele. Die meisten sind sehr heimatverbunden und hoffen, innerhalb von fünfzig Kilometern den Top-Job zu kriegen. Das geht natürlich nicht.
Aber warum gerade dieser Weg?
Nach meiner Karriere, die ja etwas abrupt mit einer Verletzung zu Ende ging, war mir klar, dass ich Trainer werden wollte. Den Fußballlehrer-Schein hatte ich immer im Hinterkopf, dann kam das Angebot von Dynamo Minsk. Ich konnte mich also entscheiden, den Fußballlehrer in Deutschland zu machen, ein Jahr einfach zu lernen und zu hoffen, dass ich einen Job bekomme. Oder ins Ausland zu gehen, einen Top-Job auszufüllen und nebenbei den Fußballlehrer zu machen. Ich habe zwei Fliegen mit einer Klatsche geschlagen.
Man könnte auch argwöhnen, dass es dort vielleicht ein bisschen leichter ist, an die Lizenz zu kommen.
Das kann nur derjenige beurteilen, der es gemacht hat. Die Ausbildung ist genauso hart wie in Deutschland, das weiß ich, weil ich Freunde habe, die parallel hier den Fußballlehrer gemacht haben. Und ich musste ja noch eine neue Sprache lernen - das ist für mich noch einmal eine Stufe drüber.
Können Sie sich auf Russisch verständigen?
Ja, klar. Ich habe das ja eineinhalb Jahre gelernt. Und es war kein Zuckerschlecken, kann ich Ihnen sagen.
Haben Sie auch ein paar Dinge erlebt, die Sie überrascht haben, oder ist der Fußball doch überall ziemlich gleich?
Man wundert sich in dem Geschäft sowieso fast täglich. Und manchmal ist es besser, wenn man schnell vergisst, damit man darüber hinwegkommt.
Das klingt nach weniger erfreulichen Erfahrungen.
Na klar. In Taschkent fing das schon damit an, dass mir ein Gelände gezeigt wurde, auf dem angeblich trainiert werden sollte. Und als ich dann nach der Vertragsunterschrift aus Deutschland wieder kam, stellte sich raus, dass wir in Wirklichkeit ganz woanders trainierten. Unter schlechteren Bedingungen. In Minsk war es ähnlich. Da gab es einen wunderschönen Kunstrasenplatz neben dem Stadion, bei dem aber die Maße nicht stimmten, der zu schmal war. Wie soll man das Herausspielen von Chancen über Außen trainieren, wenn es kein Außen gibt? Da macht man sich schon Gedanken, ob man das Richtige gemacht hat.
Und: Hat sich der ganze Aufwand gelohnt?
Definitiv. Ich habe jetzt in der Regionalliga Nordost einen Verein, der auf mich zählt, der mir die Chance gibt, mich zu präsentieren. Wenn man überlegt, wie viele Trainer arbeitslos sind, die den Fußballlehrer haben, kann man schon froh sein, dass man überhaupt einen Job hat.
Neustrelitz, die Mecklenburger Seenplatte, das ist ja landschaftlich eine tolle Gegend - aber halt auch nicht gerade Düsseldorf mit seiner Königsallee.
Man kann sich hier voll und ganz auf den Fußball konzentrieren. Darüber bin ich auch froh. Ich hatte jetzt zwei, drei Jahre mit viel Rumpendlerei, die sehr viel Kraft gekostet haben. Teilweise habe ich meine Familie drei Monate nicht gesehen.
Können Sie sich vorstellen, hier sesshaft zu werden?
Mein Ziel ist es nach wie vor, Bundesligatrainer zu werden. Es gibt Trainer, die relativ schnell nach oben kommen und dann auch relativ schnell wieder verdampfen. Und es gibt Trainer, die sich sukzessive gesteigert und damit auch gewisse Kritiker widerlegt haben. Ich hoffe, dass die Mannschaft meine Philosophie umsetzt und wir eine gewisse Spielfreude entwickeln. Wenn wir alle gemeinsam diesen Weg einschlagen, wird sich das auch im überregionalen Fokus bemerkbar machen.
Da wäre es nicht schlecht, die Freiburger zu ärgern. Wie sehen Sie die Chancen?
Ich möchte der Mannschaft keinen Druck auf die Schultern legen. Sie sollen einfach nur in das Spiel reingehen und dann aus dem Spielverlauf heraus sehen, welche Chancen sich ergeben. Wir haben zwar vernünftige Testspielergebnisse erzielt, aber nicht gegen namhafte Teams. Ich hätte sehr gern noch einen Gegner aus der ersten oder zweiten Liga gehabt, aber das habe ich nicht bekommen, weil die Zeit zu kurz war. Was unsere Chancen betrifft, steht für mich deshalb ein großes Fragezeichen.
Von Ihrer Bundesliga-Karriere ist für viele vor allem eine Szene hängengeblieben: Wie Sie einmal von Oliver Kahn durchgeschüttelt wurden. Werden Sie noch oft darauf angesprochen?
Wenn man lange in der Bundesliga spielt, passieren einem automatisch die tollsten Geschichten. Und so etwas bleibt dann eben im Hinterkopf. Es zeugt ja auch von einem gewissen Bekanntheitsgrad. Deshalb muss man da einfach drüber stehen.