Sportpolitische Kampagne : Russland gibt Gas
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Der russische Bär fährt die Krallen aus Bild: picture-alliance / Sven Simon
Das Finale der Fußball-WM 2018 in Moskau soll Höhepunkt einer sportpolitischen Kampagne werden, mit der Präsident Putin sein Land zu einer Sport-Großmacht ausbauen will. Die Deutschen sollen dabei helfen.
Wenn es im noblen Weltsaal des Auswärtigen Amtes in Berlin unter meterlangen glitzernden Kronleuchtern um Fußball geht, dann handelt es sich wohl um eine Angelegenheit von höchstem politischen Interesse: Diesen Zusammenhang hat der russische Diplomat Alexei Sorokin, ein smarter, weltgewandter Vertreter der jungen russischen Funktionärsgeneration, schon in seiner Zeit als Geschäftsführer des russischen Fußballverbandes (RFS) herausgestellt: „Fußball ist Außenpolitik!“, sagte er zu Beginn eines Fünfjahresplans, den der Kreml in Sachen Fußball ausgerufen hatte - mit einem schönen russischen Namen: „Pjatiletka“. Das Ziel: Russland soll der Aufstieg in die Elite des Weltfußballs gelingen. Dafür werden etliche neue Stadien gebaut, 12.000 Fußballfelder errichtet. Und nun helfen auch offiziell die Deutschen dabei, aus Russland eine Großmacht zu machen - nicht nur im Fußball.
Deshalb war Alexei Sorokin jüngst in Berlin, im vierten Jahr des „Pjatiletka“. Der einflussreiche Verein „Deutsch-Russisches Forum“ hatte zu einer Fußballkonferenz geladen. Sorokin trat als Außen- und gleichzeitig Sportpolitiker auf, zusammen mit dem neuen russischen Verbandspräsidenten Nikolai Tolstych. Der langjährige Spieler und spätere Präsident des Traditionsklubs Dynamo Moskau ist erst seit wenigen Wochen im Amt. Tolstych unterzeichnete, im feierlichen Rahmen wie unter Staatsmännern, gemeinsam mit seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Niersbach, dem Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), ein Memorandum, über dessen Inhalt beide Seiten schweigen. Niersbach sagte nur so viel: „Der russische Verband will von uns Dinge übernehmen. Das bezieht sich auf die Trainerausbildung und das ganze System der Nachwuchsförderung.“ Die Russen machen Ernst: Bis zur WM 2018 im eigenen Land muss eine starke Mannschaft auf die Beine gestellt werden.
Mit Blick auf das Spektakel ist Sorokin, inzwischen auch Generaldirektor des Organisationskomitees der WM, der wichtigste Manager. Sein Amt wäre in jedem Land der Welt von Bedeutung. Im machtbewussten Russland ist es noch mehr wert. Denn der „Pjatiletka“ wurde kurzerhand um weitere fünf Jahre verlängert. Pünktlich zum Ablauf des Planes soll dann der Präsident der Russischen Föderation dem Kapitän der „Sbornaja“ nach dem WM-Finale in Moskau bitteschön den sechs Kilo schweren goldenen WM-Pokal der Fußballweltverbandes Fifa überreichen. Wie auch immer der russische Staatspräsident dann heißen mag: Der amtierende Präsident Wladimir Putin hat diesen Weg vom Kreml und niederländischen Fußballberatern, den ehemaligen Nationaltrainern Guus Hiddink und Dick Advocaat, aushecken lassen. Putin, von sportaffinen Funktionären und Politikern umgeben, will das nationale Selbstbewusstsein stärken, seine Macht erhalten. Die zur Schau gestellte Sportbegeisterung der politischen Klasse in Russland dürfte inzwischen einzigartig in der Welt sein.
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Zuletzt ist der Plan des Kreml aber ins Stocken geraten: Denn nach einem fulminanten Auftaktsieg gegen Tschechien bei der vergangenen EM erreichte Russland gegen Polen, den europäischen Erzrivalen, nur ein hart umkämpftes Unentschieden und schied schließlich gegen Griechenland noch in der Vorrunde aus. Dabei war das Spiel in Polen im Warschauer Nationalstadion die politisch und emotional am meisten aufgeladene Begegnung des Turniers: Russische Fans hatten in ihrem Fanblock ein riesiges Banner entrollt (“This is Russia“), um die Weltöffentlichkeit an den Großmachtanspruch zu erinnern, der die sowjetische Zeit überdauert hat. Und um Polen zu provozieren, eine Nation, die über lange Zeit von Russen besetzt war. Vor und nach dem Spiel lieferten sich polnische und russische Hooligans in der Warschauer Innenstadt eine heftige Straßenschlacht.