„Wie sie mich verachtet haben!“ : Die große Genugtuung des Luis Suárez
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Mann der Stunde: Luis Suárez Bild: Picture-Alliance
Ausgerechnet der ehemalige Barça-Stürmer Luis Suárez macht Atlético zum spanischen Fußball-Meister. Anschließend bricht er in Tränen aus. Und dann spricht er voller Bitterkeit über seinen früheren Klub.
Luis Suárez konnte den Triumph nicht so ausgelassen genießen wie seine Mitspieler. Einsam saß der Stürmer von Atlético Madrid am Samstag auf dem Rasen, blickte auf das Handy und weinte Tränen. Immer wieder fuhr er sich mit den Händen durchs Haar, schien kaum ein Wort herauszubringen.
Kurz vor dem Abpfiff hatte er Atlético mit dem entscheidenden Treffer zum 2:1-Sieg über Real Valladolid die Meisterschaft in der spanischen Liga gesichert. Für ihn ein Anlass auf seinen bitteren Abschied aus Barcelona im vergangenen Sommer zurückzublicken. „Was ich erleben musste! Wie sie mich verachtet haben!“, sagte Suárez nach dem Spiel und brach immer wieder neu in Tränen aus.
Seine Familie, seine Frau, seine Kinder hätten mit ihm gelitten. Es sei das schlimmste Jahr seiner Karriere gewesen, sagte der 34 Jahre alte Mittelstürmer, den Barcelonas neuer Trainer Ronald Koeman unbedingt loswerden wollte. Barça zahlte Suárez am Ende sogar noch sechs Millionen Euro, nur damit er sich ein Jahr vor Vertragsende vom Hof mache und ablösefrei zu Atlético Madrid wechsele.
Das, was Atlético fehlte
Dort hatte Trainer Diego Simeone endlich das, was ihm seit Griezmanns Wechsel nach Barcelona 2019 fehlte: einen Stürmer für die entscheidenden Momente. Zwar hatte auch Suárez über manche Strecken dieser Saison Ladehemmungen. Zuletzt hatte er in fünf Spielen in Folge nicht getroffen, in drei Begegnungen fehlte er zudem wegen einer Verletzung. Aber vor dem vorletzten Spieltag rief Simeone die „Zone Suárez“ aus: „Wir kommen jetzt in die Zone Suárez. Das ist der beste Moment für einen solchen Spieler.“ Er habe ihm gesagt: „Du hast Erfahrung, kennst diese Situationen.“
Und so kam es auch. In der vorletzten Begegnung gegen Osasuna behielt er beim Spielstand von 1:1 trotz mehrerer Fehlversuche zuvor die Nerven und erzielte wenige Minuten vor Schluss den Siegtreffer, der Atlético im Rennen um den Titel hielt.
Auch am vergangenen Wochenende bestätigte Suárez das Vertrauen seines Trainers. 40 Minuten lang lief seine Mannschaft gegen Real Valladolid einem 0:1-Rüchstand hinterher, die Meisterschaft schien am letzten Spieltag noch zu entgleiten. Doch eine halbe Stunde vor Schluss erzielte der Argentinier Angel Correa mit der Schuhspitze aus 17 Metern den Anschlusstreffer. Und wenige Minuten später landete der Ball nach einem Abspielfehler an der Mittellinie bei Suárez, der vor dem Torwart noch leicht nach links zog und dann nervenstark und platziert zum Siegtreffer einschob.
Die Genugtuung im Anschluss war so groß, dass ihm die Emotionen außer Kontrolle gerieten. Vor sieben Jahren kam der Mann aus Uruguay vom FC Liverpool nach Barcelona, in diesen sieben Jahren ist er fünf Mal spanischer Meister geworden, vier Mal mit Barça und jetzt mit Atlético. Dabei war er fast ein wenig zu bescheiden. „El Pistolero“ hat 2015 ja auch die Champions League gewonnen und ist vier Mal spanischer Pokalsieger geworden. Doch das waren Triumphe mit dem FC Barcelona, der ihn loswerden wollte.
Die Zeit hinterlässt Spuren
Koeman wollte sich von Suárez aber nicht aus bloßer Lust und Laune trennen. Der Uruguayer erkannte nach dem Sieg am Samstag an, dass er für den FC Barcelona in der vergangenen Saison oft angeschlagen aufgelaufen ist. Die Zeitungen berichteten damals von Knorpelschäden in den Knien, die mit einer umstrittenen Stammzellentherapie behandelt wurden. Auch in dieser Saison fehlte er wiederholt wegen Muskelbeschwerden und Covid-19.
Auch wenn viele Profis über die härteste Saison in ihrer gesamten Karriere klagen, ist nicht zu übersehen, dass die Zeit auch an einem Weltklassestürmer wie Luis Suárez ihre Spuren hinterlässt. In der Saison 2015/16 hatte er an der Seite von Leo Messi 56 Tore erzielt. Mit seinen 21 Treffern in dieser Saison ist er davon weit entfernt. In der Champions League konnte er gar nicht an seine Leistungen in La Liga anknüpfen.
Aber Alter ist keine Schande. Viele Stürmer ändern mit den Jahren ihre Spielweise, werden mannschaftsdienlicher, bringen ihre Erfahrung ein und bleiben damit wertvoll für das gesamte Team. Solche Spieler machen ihre Mitspieler besser. Ein so exzellenter Techniker wie Koke konnte nun in der Schaltzentrale die Rolle als Ideengeber übernehmen, der Atlético zur Kontrolle über das Spiel verhilft. So konnte Simeone mit dem spielfreudigen Suárez auf dem Feld endlich von seiner so oft beklagten Mauertaktik abweichen.
Zumindest ein weiteres Jahr wird der Trainer mit seinem Schlüsselspieler rechnen können. Spanischen Medien zufolge will Suárez nach dem Gewinn der Meisterschaft von der Ausstiegsklausel aus seinem noch eine Saison laufenden Vertrag keinen Gebrauch machen. Angeblich hatte der FC Liverpool Interesse an einer Rückkehr von Suárez.