Hertha BSC Berlin : Die Hauptstadt ist zurück
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Erleichterung statt Begeisterung: Hertha ist zurück in der ersten Liga Bild: dpa
Hertha BSC macht den Aufstieg in die Bundesliga perfekt - aber in Berlin ist die Erleichterung größer als die Begeisterung. Auch in der ersten Klasse setzt der verschuldete Klub auf Talente.
Die letzte spannende Frage in einer Saison von unerwarteter Konstanz und Dominanz lautete für die Fans von Hertha BSC zuletzt nur noch: Gelingt der Aufstieg im Stadion oder auf dem Sofa? Die Sache ist seit diesem Sonntag um 15.22 Uhr geklärt. Mit einem 1:0-Sieg im Heimspiel gegen den SV Sandhausen ist der Hertha vor 52.000 Zuschauern im Olympiastadion die unmittelbare Rückkehr in die Erste Fußball-Bundesliga gelungen, der zweite Aufstieg in drei Jahren.
Den umjubelten Treffer des Tages erzielte Pierre-Michel Lasogga in der 85. Minute, als er einen Kopfball von Adrian Ramos über die Linie bugsierte. Es war sein erstes Saisontor. Mit dem verdienten Erfolg in einem schwachen Spiel krönte der Hauptstadtklub, der in der vergangenen Saison unter unwürdigen Umständen in der Relegation gegen Fortuna Düsseldorf abgestiegen war, schon am 30. Spieltag eine Zweitligasaison, in der die Berliner ohne jeden Misston ihr Ziel erreichte. „Erstklassig!“ stand auf ihren blauen Aufstiegshemden, aber von großem Jubel konnte bei den Spielern auf dem Platz nicht die Rede sein. Trainer Jos Luhukay sprach vor allem von „Erleichterung“, die Mannschaft habe „gute Arbeit verrichtet“.
Gegen Sandhausen waren auch Bundestagsvizepräsident Thierse und der frühere Innenminister Schily ins Olympiastadion gekommen, aber die Begeisterung über den Aufstieg ist in der Stadt längst nicht so greifbar, wie die Enttäuschung und Empörung nach dem Abstieg. Trainer Jos Luhukay aber hat über die Monate das Kunststück geschafft, am nicht gerade unaufgeregten Medienstandort Berlin für eine erstaunliche Ruhe zu sorgen, die Hertha in den vergangenen Jahren kaum kannte.
Im Rückblick erscheint der Aufstieg allerdings einfacher, als er tatsächlich war - trotz des teuersten Kaders, des höchsten Etats und des größten Stadions. Daraus machte die Hertha mit ihrem so bodenständigen Trainer das Beste: Keine Mannschaft hat mehr Siege vorzuweisen, keine hat mehr Tore geschossen und keine weniger Gegentreffer zugelassen. Aber zu Saisonbeginn erschienen Mannschaft und Verein vom Abstieg noch arg mitgenommen. „Die Probleme waren groß“, sagte Luhukay. Dieser Aufstieg sei der schwierigste seiner nun drei Aufstiege (zuvor mit Mönchengladbach und Augsburg) gewesen.
Zum Symbol der ganzen Stadt taugt Hertha kaum
Bei all den Erfolgsmeldungen lässt sich allerdings auch im Aufstiegsjahr feststellen: Dem Klub gelingt es nur schwer, das West-Berliner Milieu hinter sich zu lassen; zum Symbol einer sich dynamisch entwickelnden Stadt taugt die Hertha kaum. Berlin ändert sich, aber Herthas Image bleibt, wie es ist. Liga-Konkurrent Union Berlin hat sich in dieser Beziehung weit offener gezeigt, von den Eisbären im Eishockey gar nicht zu sprechen, die mit dem 4:1 im vierten Endspiel um die deutsche Meisterschaft gegen die Kölner Haie den Berliner „Supersonntag“ perfekt machten.
Aufbruchstimmung erzeugte die Hertha jedenfalls nur zu ausgewählten Momenten im Olympiastadion, aber eben nicht über den Abpfiff hinaus in der Stadt. Luhukay hatte nach der Niederlage am zweiten Spieltag beim FSV Frankfurt vehement einen Mentalitätswechsel beim Hauptstadtklub eingefordert, und man kann sagen, dass er damit zumindest in seinem Team weit vorangekommen ist. „Ich glaube, dass zu viele bei Hertha meinen, dass sie groß sind und einen großen Namen haben. Das werfen wir ab heute in die Mülltonne.“
Sportlich war diese Berliner Abfallbeseitigung ein voller Erfolg, und an keinem Spieler zeigte sich in Berlin so sehr, wie groß das Potential sein kann, wenn man sich daran macht, es ernsthaft auszuschöpfen, wie bei Mittelfeldspieler Ronny. Aus einem übergewichtigen Talent wurde der führende Kopf des Teams. In den vergangenen Tagen, als der Aufstieg noch nicht feststand, hatten aber selbst die Funktionäre der Deutschen Fußball Liga keinen Zweifel mehr, dass die Hertha in der kommenden Saison wieder zum Kreis der besten Klubs gehören würde. Der Verband erteilte per Fax die Lizenz für die Bundesliga - und auf die Ergebnisse der Prüfung für die zweite Liga wurde gar nicht mehr ausdrücklich eingegangen.
Das Juwel soll in Berlin funkeln
Die Lizenz aber, und da schlägt die unrühmliche Vergangenheit der Berliner wieder durch, erhält der Klub nur unter Auflagen. Die Hertha ist mit rund 42 Millionen Euro verschuldet, der Etat für die kommende erstklassige Spielzeit soll bei rund 65 Millionen Euro liegen. Auf dem Transfermarkt wird der Verein in der ersten Klasse nicht sonderlich aktiv werden können. Die Hertha sucht vor allem Spieler, die keine Ablöse kosten. Immerhin konnte Ronny gehalten werden, trotz einiger Angebote von etablierten Bundesligaklubs.
Aber die Hertha setzt unter Luhukay verstärkt auf Nachwuchskräfte. Fünf Talente hat er in die Mannschaft integriert - nachdem der eigene Nachwuchs bei den Berlinern jahrelang kaum zum Zug kam und viele Spieler erst in anderen Klubs Karriere machten. Im aktuellen Team haben sich John Brooks und Nico Schulz, beide 20 Jahre alt, einen Stammplatz erkämpft, der zwei Jahre ältere Mittelfeldspieler Fabian Holland kommt auf bisher 18 Spiele.
Der 22 Jahre alte amerikanische Nationalspieler Alfredo Morales, der nach 13 Jahren bei der Hertha in dieser Saison schon zu scheitern schien, ist im Verlauf der Spielzeit immer stärker geworden. Nun plant der Klub auch in der Bundesliga mit ihm - ebenso wie mit dem erst 18 Jahre alten Hany Mukthar, der direkt aus der B-Jugend in den Profikader aufrückte. Er gilt als Juwel, und dieses Juwel soll diesmal in Berlin funkeln.