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Fußball-Nationalmannschaft : Unbedingt abwehrbereit

Bleibt bei seinen Aussagen: Nationalspieler Bastian Schweinsteiger

Bleibt bei seinen Aussagen: Nationalspieler Bastian Schweinsteiger Bild: AFP

Bastian Schweinsteiger verteidigt seine Worte, die als Kritik ausgelegt wurden, Joachim Löw wehrt Kommentare von Uli Hoeneß ab – bei der Nationalmannschaft stehen die Zeichen vor dem Spiel in Irland auf Defensive.

          3 Min.

          Ein ungemütlicher Herbstabend in Dublin, das ist gewiss nicht jedermanns Sache. Eher etwas für die Melancholiker unter den (Dienst-)Reisenden. Oder für diejenigen, die es gern ein bisschen rauh und ursprünglich mögen. Zu denen gehört offenbar Bastian Schweinsteiger. Der Münchner jedenfalls wirkte voller ehrlicher Vorfreude, als er am Dienstag in Frankfurt über die bevorstehende Begegnung mit Irland an diesem Freitag sprach. „Es ist etwas Besonderes, da zu spielen“, sagte er. Der Kampfgeist der Iren, ihr „großes Herz“, dazu das „unglaublich leidenschaftliche Publikum“ - von alledem verspricht sich Schweinsteiger, der zum ersten Mal seit seiner Regenerationsphase nach der Europameisterschaft wieder im Kader der deutschen Auswahl steht, eine nicht alltägliche Erfahrung. „Die Stimmung“, schwärmte er auch im Rückblick auf das 0:0 in Dublin im Oktober 2007, „hat was.“

          Christian Kamp
          Sportredakteur.

          Um Stimmung und Stimmungen drehte sich vieles bei der Pressekonferenz des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am Dienstag - und das betraf beileibe nicht nur atmosphärische Randaspekte, sondern auch den Kern des Betriebs: das Binnenklima bei der Nationalmannschaft. Schweinsteiger selbst hatte seiner Rückkehr einen kleinen Gruß per Zeitungsinterview vorausgeschickt, der manchen - darunter auch Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff - rat- bis verständnislos zurückgelassen hat.

          Während man bei den Bayern das „gute Klima“ daran erkenne, dass bei einem eigenen Tor die „komplette Bank“ aufspringe, sagte Schweinsteiger, sei das bei der EM im Sommer nicht so gewesen: „Da sind nicht immer alle gesprungen.“ Weil diese Aussage recht raunend, aber wenig konkret dahergekommen war, hätte man schon gerne noch einmal Genaueres von Schweinsteiger erfahren - zumal das Reizthema einer angeblichen Rivalität wischen den bayerischen Platzhirschen und den aufstrebenden Borussen aus Dortmund oder den Stars von Real Madrid von Beobachtern nicht zum ersten Mal aufgegriffen wurde.

          „Dass wir das letzte Rad rumdrehen“

          Doch wie der erklärte Führungsspieler an diesem Dienstag in dieser Sache lavierte, war nicht dazu angetan, für Klarheit zu sorgen. Mal reagierte er bockig-patzig, weil ihm der Wortlaut der Frage nicht passte - hier schien der Planet Schweinsteiger vor allem um sich selbst zu kreisen. Dann sagte er, dass er bei seinen Aussagen bleibe - freilich ohne dem etwas hinzufügen zu wollen. Schließlich versuchte er das, was wie Kritik an den Kollegen wirken musste, wie einen Weckruf an das ganze Team aussehen zu lassen. „Ich will doch nichts Schlechtes. Ich will, dass wir das letzte Rad rumdrehen, um irgendwann auch mal die großen Mannschaften zu schlagen“, sagte er. Was im Umkehrschluss freilich immer noch bedeutet, dass es in den Augen Schweinsteigers, anders als bei dessen dementierenden Vorgesetzten, Defizite in diesem Bereich gibt.

          Selbstbewusst bis bockig-patzig: Schweinsteiger bereitet sich auf das Irland-Spiel vor
          Selbstbewusst bis bockig-patzig: Schweinsteiger bereitet sich auf das Irland-Spiel vor : Bild: dapd

          Welche strategische Absicht nun auch immer dahintergesteckt haben mag - das alles wäre gar nicht groß der Rede wert, würde nicht insgesamt eine ungewohnt sensible Atmosphäre rund um das deutsche Team herrschen. Seit dem Halbfinal-Aus bei der EM spüren die Spieler, insbesondere aber der Bundestrainer einen Gegenwind, der sie in eine neue, in eine defensive Rolle zwängt. Ebenfalls per Interview hat zu Wochenbeginn Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern, ein paar harsche Worte an die Adresse des Bundestrainers geschickt. Löw müsse „mehr Druck machen, nicht immer nur auf gute Laune“, sagte Hoeneß dem „Spiegel“.

          Vor der EM sei „ja nur noch darauf geachtet worden, zu welchem Formel-1-Rennen man noch alles fahren sollte, damit die Spieler bei Laune gehalten wurden“. Als Symbol wählte er die Versorgung des Teams mit Tischtennisplatten, die, so Hoeneß, „möglichst noch auf den Mont Blanc“ hätten geflogen werden sollen. Anstelle von Freizeit-Optimierung forderte er mehr Autorität des Bundestrainers und klarere Hierarchien im Team. Löw reagierte demonstrativ kühl, als er am Montag im Mannschaftsquartier in Frankfurt eintraf: „Es ist mir mittlerweile egal, wer was über dieses Thema sagt.“ Und fügte hinzu, dass er an seinen Methoden und seinem Führungsstil nichts zu ändern gedenke.

          Selbstbewusstsein, Souveränität und Humor

          Auch Bierhoff machte deutlich, dass Hoeneß bei allen redlichen Absichten, die er dem Bayern-Boss bescheinigte, einen Schritt zu weit gegangen sei. „Ich persönlich finde es nicht gut, wenn wir Verantwortlichen im Fußball uns gegenseitig von außen bewerten“, sagte er. Das würden er und Löw auch nicht tun. „Vielleicht hätte Uli Hoeneß statt Tischtennisplatten lieber Basketballkörbe gehabt“, scherzte er - eine durchaus pointierte Anspielung auf dessen nicht ganz fachkundigen Kommentare zur Beurlaubung des Basketball-Trainers Dirk Bauermann.

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          Selbstbewusstsein, Souveränität und ein bisschen Humor - das ist offenkundig der Kurs, den Löw und Bierhoff für die letzten Aufgaben des Jahres eingeschlagen haben. Sie können dabei nur hoffen, dass die Mannschaft auf dem Platz auch den Vorgaben folgt. Die bisherigen Auftritte seit der EM, insbesondere das glückliche 2:1 in Österreich, haben Stagnation statt Fortschritt erkennen lassen. Und so hängt nicht nur die abschließende Bewertung des Fußballjahres 2012 maßgeblich von den Leistungen in Dublin und vier Tage später gegen Schweden in Berlin ab. Sondern auch die Perspektive darüber hinaus. Und mit ihr das Klima, in dem die weiteren Aufgaben bis zur WM 2014 in Brasilien zu bewältigen sind. Eine Niederlage könnte den ohnehin schon scharfen Gegenwind leicht zu einem ungemütlichen Sturm anwachsen lassen.

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