
Fußball und Soziales : Gegen das Unbehagen
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Die Premier League ist der Bundesliga ein Jahrzehnt voraus. Ihre Stiftungen und Projekte sind mit 2500 Mitarbeitern fest verankert in den Kommunen. Trainer sind in Schulen und Kindergärten aktiv, Stadionkatakomben öffnen sich für Nachhilfe und Berufsberatung. Der schwerreiche Fußball soll das schwindende Angebot des Staates ergänzen. Das hatte die ehemalige Labour-Regierung um Premier Tony Blair von den Klubs eingefordert und an Bedingungen geknüpft.
Das soziale Gewissen wird ausgelagert
In Deutschland gibt es keine differenzierte Debatte darüber, wie Vereine ihre Stadtgesellschaft bereichern könnten. Bundestag und Landesparlamente scheinen sich mit dem mächtigen Fußball nicht anlegen zu wollen. Unabhängige Studien zur tatsächlichen Wirkung der Projekte gibt es nicht. Die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF sind durch Lizenzrechte mit den Sportverbänden verwachsen. Im Profifußball hat die gemeinnützige Bundesliga-Stiftung zwar mehr als 170 Projekte gefördert. Doch die Stiftung kann mit ihren Jahresausgaben von drei Millionen Euro nur an der Oberfläche kratzen. Ihre Kampagnen zielen auf eine große mediale Reichweite. Ihr Kuratorium ist mit Prominenten besetzt, nicht mit Experten. So kann sie einen Vorwurf nicht ausräumen: dass sie mit minimalem Aufwand maximale Aufmerksamkeit erzielen will.
Nicht nur die DFL lagert ihr soziales Gewissen aus. Auch Klubs, Nationalspieler und Landesverbände gründen zunehmend Stiftungen, oft ohne hauptamtliches Personal. Diese gemeinnützigen Organisationen verwalten zwei, drei, vielleicht fünf Projekte. Ihr Grundkapital übersteigt selten 500 000 Euro. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen aber empfiehlt ein Grundvermögen von mindestens einer Million. So sei die nachhaltige Wirkung der Projekte wahrscheinlicher. Eine Zusammenarbeit der vielen kleinen Stiftungen findet kaum statt - daher ist ihr Einfluss auf den großen Apparat Fußball gering.
Widersprüchliches auch beim DFB
Und der DFB? Der größte Sportfachverband der Welt hat ebenfalls ein widersprüchliches Sozialnetzwerk geschaffen. Einerseits sind über seine drei Stiftungen mehr als dreißig Millionen Euro an Dutzende Projekte geflossen: für Bildung oder Gesundheitsvorsorge, gegen Rassismus und Drogensucht. Andererseits übernahm der DFB nur die Hälfte der Kosten des Fußballmuseums in Dortmund. Sollte es zu Fehlbeträgen kommen, liegt das Risiko bei der hochverschuldeten Kommune. Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger berief 2010 eine Kommission für Nachhaltigkeit, nach seinem Ausscheiden wurde diese wieder aufgelöst. Vier Angestellte sind für die „Gesellschaftliche Verantwortung“ im Verband hauptamtlich tätig. Die Medienabteilung hat rund dreißig Mitarbeiter.
Auch viele Ehrenamtliche betrachten ihre Projekte nun in einem größeren Rahmen, sie möchten nicht als Sozial-Alibi für einen kleinen Funktionärszirkel gelten. Allein die Untersuchung der verschleierten 6,7 Millionen im Zusammenhang mit der WM 2006 durch die Kanzlei Freshfields hat den DFB mehr als fünf Millionen Euro gekostet. Mit einem vergleichbaren Volumen müssen seine drei Stiftungen ihren gesamten Jahreshaushalt bestreiten.
Mehr soziales Engagement, stärkere Relevanz
Die Entscheidungsträger betonen gern, wie viele Arbeitsplätze der Profifußball schafft. Und dass er jährlich fast eine Milliarde an Steuern und Sozialabgaben entrichtet. Was sie kaum erwähnen: Die Klubs geben im gleichen Zeitraum fast eine Milliarde an Gehältern für Spieler und Trainer aus. Darüber hinaus kann niemand beziffern, wie viel Steuergeld indirekt in den Fußball fließt, in Polizeikosten, Stadienbauten, Fanprojekte oder Bürgschaften für klamme Vereine.
Was spricht dagegen, dass die Klubs ihr soziales Engagement mit einem nennenswerten Budget ausstatten? Verwoben mit Verwaltung, Marketing, Fanabteilung? Begutachtet von einem Kuratorium aus lokalen Experten? Dadurch würde der Fußball nicht weiter wachsen, aber er könnte einen anderen Wert für sich beanspruchen: Relevanz.