Barcelona auf Titelkurs : Aller guten Dinge sind drei
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Verlierer im Trainerduell: Carlo Ancelotti (l.) gegen Xavi Hernández Bild: AP
Nach dem 1:2 im Clasico werden Real Madrids Trainer Carlo Ancelotti kritische Fragen gestellt. Dem FC Barcelona wird die Meisterschaft wohl nicht mehr zu nehmen sein.
Schon in der Werbung der austragenden TV-Sender für den Clásico war es ein Trainerduell. Entschlossen blickten Xavi Hernández und Carlo Ancelotti in die Kamera. Eigentlich sind die Trainer des FC Barcelona und von Real Madrid zurückhaltende Typen, sie legen Wert auf gute Erziehung bei ihrer Arbeit. Trotzdem haderte Real-Trainer Ancelotti nach dem 1:2 gegen Barcelona mit einer Schiedsrichterentscheidung. „Wir fahren mit Zweifeln an der Abseitsentscheidung nach Hause“, sagte er, nachdem der Videoassistent bei Real Madrids 2:1 durch Asensio ein hauchdünnes Abseits gesehen haben will. So gelang Barcelona in der Nachspielzeit der Siegtreffer, der Klub hat nun 12 Spieltage vor Schluss mit 12 Punkten Vorsprung vor Real Madrid die Meisterschaft in Sichtweite.
Der Clásico zwischen dem FC Barcelona und Real Madrid ist das wichtigste Duell, das der spanische Fußball zu bieten hat. Besonders José Mourinho wusste in seinen drei Jahren bei Real Madrid (2010–2013), wie man die Stimmung anheizt. Unvergessen sein wiederholtes „Warum?“ 2011 in einer Pressekonferenz nach einem 0:2. Der Portugiese stellte die Frage, ob Schiedsrichter zugunsten Barças Einfluss nähmen, weil die Katalanen den Schriftzug des Kinderhilfswerks UNICEF auf dem Trikot trugen.
Das ist nicht die Art Ancelottis. Eher nachdenklich suchte er nach Worten, um die Niederlage zu analysieren. Er sei stolz auf sein Team, sagte er, es hätte den Sieg verdient, die erste Halbzeit kontrolliert und nach Einwechselungen auch in der zweiten Hälfte das Spiel offen gestaltet. Doch im Presseraum wollte man ihn nicht so einfach die Rückreise nach Madrid antreten lassen: Warum er nicht früher gewechselt habe, wurde er gefragt, und warum er einen hauchdünnen Vorsprung nach einem Eigentor von Araujo verwalten wollte. Fragen, aus denen Ancelotti schon als der eigentliche Verlierer des Clásico hervorging.
Die Antworten schienen daran nichts zu ändern. In der 62. Minute habe er mit Rodrygo für Kroos neue Impulse in der Offensive gesetzt, sagte Ancelotti, in der Schlussviertelstunde wollte er seinem Team mit gleich drei Wechseln zu „neuer Energie“ verhelfen. Doch die Journalisten fanden, er hätte viel früher wechseln müssen. Xavi hingegen hatte aus ihrer Sicht gewonnen, weil er seine Mannschaft offener spielen ließ. Dabei setzte der Katalane von der Bank aus nur wenig Akzente, wechselte allerdings mit dem zu Beginn der Saison vom AC Mailand gekommenen Franck Kessié kurz vor Spielschluss den Siegtorschützen ein.
Die Dramaturgie vom Trainerduell zeigt vor allem: Die Sympathien insbesondere der landesweiten Rundfunksender in Spanien liegen eher bei Real Madrid. Dies versperrt ihnen den Blick darauf, wie es um Madrids Team wirklich steht, sie benötigen einen Verantwortlichen. Dabei ist Real Madrid derzeit nicht in der Verfassung vom vergangenen Jahr, trotz so spektakulärer Erfolge wie zuletzt des 5:2 im Achtelfinale der Champions League gegen Liverpool.
Und trotz der vielen dort erzielten Tore beginnt die Misere im Sturm. Der immer wieder von Blessuren geplagte Benzema entscheidet nicht mehr die Spiele wie in der vergangenen Saison. Immerhin ist er 35 Jahre alt. Doch nach einem Nachfolger sucht der Verein bislang vergebens. Auch im Mittelfeld gibt es keinen Ersatz für Toni Kroos und Modric. Sie kommen zusammen zwar auf 70 Jahre. Aber werden sie ausgewechselt, geht auch die Ordnung vom Feld – was manchmal notwendig sein mag, aber kein guter Matchplan für 90 Minuten ist.
Barças Trainer Xavi Hernández dagegen konnte sein Team in diesem Clásico wie auch schon beim 3:1-Erfolg in der Supercopa und vor wenigen Wochen beim 1:0 im Hinspiel des Pokals perfekt einstellen – und dies, obwohl er auf den wichtigen Außenstürmer Dembélé verzichten musste und der für 45 Millionen Euro aus München gekommene Lewandowski aktuell nicht so erfolgreich wie gewohnt ist. Im Grunde lässt Xavi stürmen, weil Barça keinen Kader hat, der mit Tiki-Taka ein Spiel verwalten kann. Vier Clásicos sind in dieser Saison gespielt, drei hat Barça auf diese Art gewonnen.
In den nächtlichen Nachbetrachtungen der spanischen Radiosender fand sich nur ein Analyst, der sich nicht dem Narrativ vom Siegertrainer oder Verlierertrainer anschließen wollte. Luis Suárez Miramontes, in den 1960ern der erste spanische Profi, der in Italien spielte, fand, ein Unentschieden wäre ein gerechteres Ergebnis dieses Clásico gewesen.