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Fall Amerell : Intrigen, Halbwahrheiten, Abgründe

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„Wie soll das wieder gut werden?“: Manfred Amerell fühlt sich verraten

„Wie soll das wieder gut werden?“: Manfred Amerell fühlt sich verraten Bild: ddp

Manfred Amerell glaubt an ein doppeltes Komplott gegen sich. Er hat der Steuerfahndung eine Liste mit 21 Schiedsrichtern übergeben. Darunter ist auch ein Mitglied der Schiedsrichterkommission des Verbandes.

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          Warum ist die Mediation gescheitert? Ein paar Stunden nachdem Manfred Amerell in der Kanzlei seines Anwalts über das Mediationsverfahren spricht und über die Schiedsrichteraffären, die den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und ihn selbst seit knapp zwei Jahren gefangen nehmen, verschickt der DFB eine Pressemitteilung.

          Darin heißt es, dass Amerell schon zwei Tage vor seiner endgültigen Absage die Entscheidung getroffen habe, an den Friedensgesprächen mit DFB-Vizepräsident Koch und Bischof Huber nicht teilzunehmen. Die Unterredung von Koch mit DFB-Präsident Zwanziger vom Montag in dieser Angelegenheit, die zur Degradierung des Vizepräsidenten führte und auch Zwanziger und den Verband beschädigte, könne dafür nicht verantwortlich gemacht werden.

          Bevor der Verband seine Version verbreitet, erzählt Amerell die Sache ein bisschen anders. Es erwächst daraus eine verästelte Geschichte, in der Halbwahrheiten, Intrigen und Abgründe sichtbar werden, die wie charakteristisch erscheinen für das schier endlose Drama um die Schiedsrichter, das sich derzeit im Deutschen Fußball-Bund abspielt.

          Amerell holt einen Zettel raus und schreibt darauf 21 Namen von aktuellen und ehemaligen Schiedsrichtern, Linienrichtern und Vierten Offiziellen, über die er monatelang Informationen zusammengetragen hat und an die Behörden weitergab, die daraufhin die Zentrale des DFB durchsuchten und nun wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermitteln. Der Schwerpunkt liegt demnach in Amerells süddeutscher Heimat und dem Einflussbereich des bayerischen und süddeutschen Präsidenten Koch.

          Auf der Liste Amerells steht auch der Name eines Mitglieds der Schiedsrichterkommission des DFB. Da stellt sich die Frage: Verhält sich der Verband in Fragen der Schutzsperren gegen Schiedsrichter womöglich so defensiv, weil auch in den Gremien ein von Amerell Beschuldigter sitzt?

          Machtspielchen und Steuersünden?

          Nach den Bestimmungen des Verbandes wird jeder Schiedsrichter, der in einem staatsanwaltschaftlichen Verfahren steht, mit einer Schutzsperre belegt. Der DFB will diese Regelung aber nur auf Verfehlungen verstanden wissen, die direkt mit der Schiedsrichtertätigkeit in Verbindung stehen, einem Wettskandal zum Beispiel.

          Doch der Reihe in der Geschichte, die kein Ende zu nehmen scheint: Die aktuelle Schiedsrichter-Krise ist ein Folge der Affäre Amerell/Kempter zur Jahreswende 2009/10. Der junge Fifa-Schiedsrichter Michael Kempter bezichtigte Obmann Amerell der Nötigung und sexuellen Belästigung. Amerell bestritt die Kontakte nicht, sprach aber von einer einvernehmlichen Beziehung. Amerell trat von seinem Posten zurück, seither überziehen sich die Parteien mit juristischen Verfahren. Präsident Zwanziger stellte sich sofort auf die Seite von Kempter und verband seine Zukunft als DFB-Präsident mit der Glaubwürdigkeit des jungen Schiedsrichters.

          Amerell geht von einem Komplott aus, einem doppelten mittlerweile, in dem sich Steuersünden und Machtspielchen verbinden. Er glaubt, dass Kempter von DFB-Funktionären instrumentalisiert wurde, um ihn beim Verband los zu werden, was man schon vorher versucht habe. Nach Kempters Vorwürfen meldeten sich anonym auch drei weitere Schiedsrichter beim DFB und behaupteten, vom Obmann ebenfalls belästigt worden zu sein.

          All diese Schiedsrichter, so Amerell, seien auch in die Steuerproblematik verwickelt, sie hätten wieder gemeinsame Sache gemacht. Kempter war, wie sich erst später herausstellte, schon im Jahr 2008 zu einer Geldstrafe wegen Einkommensteuerhinterziehung zu 190 Tagessätzen à 125 Euro in sechs Fällen verurteilt worden. Er galt damit als vorbestraft. Den Vorwurf, damit in Verbindung zu stehen, weist Amerell zurück: „Wenn ich davon erfahren hätte, hätte ich ihn rausgeworfen, das wusste Michael Kempter." Als Schiedsrichter lassen sich mittlerweile leicht sechsstellige Summen verdienen.

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