Kritik am Fußball-Weltverband : Fifa wie ein „Hühnerlizüchterverein“
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Joseph Blatter will im Mai nochmal zum Fifa-Präsidenten gewählt werden Bild: dpa
Der frühere Fifa-Berater Mark Pieth kritisiert den Fußball-Weltverband heftig. Er nimmt vor allem das „Patronage-Netzwerk“ ins Visier. Auch Blatter-Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein findet deutliche Worte.
Der ehemalige Fifa-Integritätsberater Mark Pieth hat die Organisationsform des Fußball-Weltverbands scharf kritisiert. Diese gleiche dem, was man in seiner Schweizer Heimat als „Hühnerlizüchterverein“ bezeichne, sagte der Strafrechtler von der Universität Basel am Montagabend beim elften „Stuttgarter Sportgespräch“. Zwar habe es die aktuelle Fifa-Führung unter ihrem Präsidenten Joseph Blatter erreicht, in der jüngeren Vergangenheit Milliarden zu verdienen. Die Struktur des von Korruptionsvorwürfen belasteten Dachverbands sei aber die eines Vereins geblieben.
Daraus habe sich ein „Patronage-Netzwerk“ entwickelt, in dem „die Leute, die für Sie stimmen sollen, unverhältnismäßig viel Geld bekommen. Diese Struktur ist nur ganz schwer zu durchbrechen“, sagte Pieth. Die Patronage führe dazu, dass ein Verband wie der des Inselstaats Tonga gleich viel oder sogar mehr Geld von der Fifa erhalte als der vielfach größere Deutsche Fußball-Bund (DFB), meinte Pieth knapp vier Monate vor der Präsidentenwahl am 29. Mai, bei der Blatter für eine fünfte Amtszeit kandidiert.
„Die Leute werden einfach für den stimmen, der ihnen das Geld gegeben hat“, sagte Pieth. Gegenkandidaten Blatters, die sich derzeit wie der Amtsinhaber einem Integritätscheck der Fifa unterziehen müssen, sind Fifa-Vize Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien, der niederländische Verbandspräsident Michael van Praag und der ehemalige Weltfußballer Luís Figo.
Für den künftigen Kurs der Fifa sei es nicht entscheidend, ob Blatter wie erwartet wiedergewählt werde oder nicht, betonte Pieth, der zwischen 2011 und 2013 die unabhängige Kommission für Governance der Fifa leitete und ein renommierter Compliance-Experte ist. Unter Compliance versteht man die Einhaltung von Verhaltensmaßregeln oder Gesetzen. „Das ist keine Schicksalswahl, das ist der verlängerte Abgang des Präsidenten. Es kommt jetzt nicht auf diese Wahl an“, erklärte er bei der Stuttgarter Veranstaltung, die unter dem Titel „Ausverkauft! - Wie integer ist der Sport?“ stand.
Das spannendere Thema mit Blick auf den künftigen Kurs des Verbandes sei, wer „in den Kulissen“ bereit sei, wenn der fast 79 Jahre alte Blatter möglicherweise in zwei Jahren nicht mehr weitermachen wolle. „Dann kommt die richtige Wahl, die Schicksalswahl“, sagte Pieth. Er kenne schon einige Personen, die für das Amt bereitstünden. Namen wollte er aber nicht nennen. Blatter führt die Fifa seit 1998.
Jordaniens Prinz Ali bin al-Hussein äußerte derweil zum Auftakt seiner Fifa-Präsidentschaftskampagne klare Kritik an Blatter. „Er war der Präsident und muss verantwortlich gemacht werden. Wenn ich Präsident werde, werde ich für alle Aktionen Verantwortung übernehmen“, sagte der derzeitige Vize-Chef des Fußball-Weltverbandes am Dienstag bei einer Pressekonferenz in London. Der 39-Jährige will am 29. Mai als einer von drei Herausforderern gegen Blatter antreten.
Sollte der Schweizer im Amt bleiben, will al-Hussein seinen Fifa-Posten aufgeben. „Ich kann mich nicht für vier weitere Jahre bei der Fifa sehen, wenn ich nicht gewinne“, sagte er. Blatter warf er vor, sein Wort nicht gehalten zu haben. „Er hatte die Chance, zu Reformen. Wir hatten sein Versprechen, dass er nicht wieder antritt. Das ist nicht der Fall. Er sollte anderen eine Chance geben, inklusive mir“, forderte al-Hussein.
Der Behauptung, er sei von Uefa-Präsident Michel Platini zu einer Kandidatur überredet worden, trat er entgegen. „Ich bin eigenständig in meinem Bestreben, Fifa-Präsident zu werden. Ich bin froh über seine Unterstützung. Ich schaue aber auf die ganze Welt, nicht nur auf die Uefa“, sagte al-Hussein, der sich für eine öffentliche Wahlkampf-Debatte aller Kandidaten stark machte.
Amsterdam : Andrang auf Fifa-Chefposten
Die notwendigen Unterstützerschreiben für eine Kandidatur bekam er aus Weißrussland, England, Malta, Georgien, den Vereinigten Staaten und seinem Heimatland Jordanien, berichtete der Prinz. Seine Heimat-Konföderation Asien hatte sich frühzeitig auf Blatters Seite geschlagen und dem Amtsinhaber alle Stimmen zugesichert.
Zu seinem Mitbewerber Luís Figo will al-Hussein Kontakt aufnehmen. „Figo ist ein Freund. Ich mag ihn sehr gern, wir werden uns unterhalten“, kündigte er an. Vierter Kandidat ist der niederländische Verbandspräsident Michael van Praag, der wie al-Hussein und Figo seine Unterstützer in Europa hat.