Erdogan vor Deutschland-Besuch : „Özil hat die Nationalelf nicht grundlos verlassen“
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Das Foto, mit dem alles begann: Mesut Özil (links) und Recep Tayyip Erdogan im Mai in London. Bild: dpa
Kurz vor der Vergabe der EM 2024 an Deutschland oder die Türkei ist die Erdogan-Affäre wieder ein Thema. Nun spricht der türkische Staatspräsident über Özil, das Foto und Pressefreiheit.
Wenige Tage vor seinem Staatsbesuch in Deutschland hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sein Unverständnis über die Aufregung um das Foto mit den deutschen Fußball-Nationalspielern Mesut Özil und Ilkay Gündogan geäußert. „Es gibt nichts zu bedauern“, sagte Erdogan der Funke Mediengruppe. „Wie Sie wissen, hat sich Lothar Matthäus mit Wladimir Putin getroffen. Unsere Spieler sollten auch in der Lage sein, mit freiem Gewissen handeln zu können. Ich bedaure die Personen, die das kritisieren“, sagte Erdogan.
Özil war nach dem WM-Aus in der Vorrunde aus dem DFB-Team zurückgetreten. Er fühlte sich vom Deutschen Fußball-Bund in der Affäre um die Fotos mit Erdogan alleingelassen und äußerte in einer dreiteiligen Social-Media-Botschaft im Juli Rassismusvorwürfe gegen den DFB. „Er hat die deutsche Nationalmannschaft nicht grundlos verlassen. Jeder andere, der mit diesen rassistischen Attacken und Beleidigungen zu kämpfen hätte, würde dieselbe Reaktion zeigen“, sagte Erdogan. „Mesut Özils Aussage ,Deutscher, wenn ich gewinne, aber Immigrant, wenn ich verliere', fasst die Diskriminierung von Spielern in Deutschland sehr gut zusammen“, betonte Erdogan. DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte die Vorwürfe zurückgewiesen.
Er sei Özil, der in Deutschland geboren wurde und türkische Eltern hat, schon „bei verschiedenen Gelegenheiten begegnet“, sagte Erdogan in dem Interview der Funke Mediengruppe, das im Yildiz Palast in Istanbul geführt wurde. „Mesut ist jemand, der in London lebt. Warum soll ich ihn nicht treffen, wenn ich schon da bin?“, sagte Erdogan und fragte: „Sollten wir, wenn ein deutscher Fußballspieler, der in unserem Land spielt, ein Foto mit Frau Merkel macht, ihn dann lynchen? Diese Logik ist nicht nachzuvollziehen.“ Özil und Gündogan könnten sich „beiden Ländern zugehörig fühlen. Dem Land, in dem sie geboren sind, und dem Land, aus dem ihre Eltern kommen“.
Vor der Vergabe der Fußball-Europameisterschaft 2024 sieht Erdogan die Bedingungen für einen Zuschlag an den deutschen Mitbewerber als erfüllt an. Er erwarte bei der Entscheidung an diesem Donnerstag „eine faire Beurteilung“ durch die Europäische Fußball-Union Uefa, sagte Erdogan. Deutschland habe mit der Austragung der Weltmeisterschaften 1974 und 2006 sowie der Europameisterschaft 1988 Sportfans schöne Veranstaltungen angeboten. „Ich denke, dass auch ein fußball-begeistertes Land wie die Türkei, das alle Voraussetzungen für eine Austragung erfüllt, diese Möglichkeit erhalten sollte“, betonte Erdogan. In nahezu allen Großstädten seien Sportkomplexe, Stadien und Sporthallen mit enormen Kapazitäten aufgebaut worden, die sogar oft in europäischen Ländern nicht existierten. „Sollte die Uefa eine objektive Beurteilung machen, so würde sie diese Tatsache auch sehen können“, erklärte Erdogan.