Kubas Fußball-Nationalteam : Ende der Eigenbrötlerei
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Onel Hernández (Mitte) spielte einmal für das deutsche U-18-Team und ist jetzt für Kuba am Ball. Bild: AFP
In Kubas Nationalteam dürfen erstmals Fußballer mitwirken, die nicht aus dem eigenen Sportsystem kommen. Auch ein ehemaliger deutscher U-18-Nationalspieler gab nun sein Debüt.
Ein Vulkan und ungünstiger Wind hätten beinahe das Debüt des Deutsch-Kubaners Onel Hernández im Dress der kubanischen Fußball-Nationalmannschaft verhindert. Nach Eruptionen des südlich von Guatemala-Stadt gelegenen Vulkans Pacaya hüllte am Dienstag Ascheregen den internationalen Flughafen der guatemaltekischen Hauptstadt ein. Soldaten versuchten mit Besen und einigen Maschinen die Landebahn freizuräumen. Aber erst am Mittwoch konnte der Flugbetrieb wiederaufgenommen werden. So traf Hernández, über Mexiko-Stadt kommend, erst kurz vor Beginn des WM-Qualifikationsspiels zwischen Guatemala und Kuba am Mittwochabend in dem zentralamerikanischen Land ein – und nahm zunächst auf der Ersatzbank Platz.
Der in Deutschland ausgebildete Hernández, der immerhin ein U-18-Länderspiel für den DFB vorweisen kann, gehört zu vier im Ausland spielenden Fußballern, unabhängig vom kubanischen Verband, die für die in dieser Woche anstehenden WM-Qualifikationsspiele in die Nationalelf berufen wurden. Bisher war solchen Spielern der Weg ins Nationalteam versperrt. Ihre erstmalige Nominierung ist ein kleiner, aber bedeutsamer Schritt, dem weitere folgen könnten.
Neben Hernández wurden der bei Atlético Madrid ausgebildete und derzeit in Spaniens Segunda División spielende Verteidiger Carlos Vázquez, der in San Marino aktive Stümer Joel Apezteguía sowie Bastian Schweinsteigers früherer Teamkollege bei Chicago Fire, Jorge Luis Corrales, berufen. Während Corrales bereits zwischen 2011 und 2015 einige Male für Kubas Nationalelf auflief, sind die anderen drei erstmals dabei. Allen gemeinsam – und das ist für Kubas Verbandsfunktionäre entscheidend: Sie verließen die Insel entweder mit ihren Eltern als Kinder oder erhielten von der Regierung die Erlaubnis, ins Ausland zu gehen. Corrales zum Beispiel durfte nach dem Gold Cup 2015, der Nord- und Mittelamerikameisterschaft, seinen Vater in Miami besuchen. Mit einem Fünfjahresvisum für die Vereinigten Staaten in der Tasche, beschloss er zu bleiben.
Der heute 28-jährige Hernández dagegen kam als Sechsjähriger mit seiner Mutter nach Rietberg im nordöstlichen Zipfel Nordrhein-Westfalens. Sein Stiefvater, Trainer bei TuS Westfalia Neuenkirchen, meinte, Fußball würde dem Jungen bei der Integration helfen. Über den FC Gütersloh und Rot Weiss Ahlen landete er bei Arminia Bielefeld, wo er erstmals in der zweiten Liga spielte. Mit Eintracht Braunschweig stand Hernández kurz vor dem Aufstieg in die Bundesliga – scheiterte aber in der Relegation am VfL Wolfsburg. Im Januar 2018 holte ihn Daniel Farke zu Norwich City. In der vergangenen Saison spielte er als erster Kubaner überhaupt in der Premier League.
Bereits im November 2018 war Hernández von Kubas damaligen Nationalcoach Raúl Mederos für sein erstes A-Länderspiel nominiert worden, wurde dann aber kurzfristig wieder ausgeladen. Nach Aussage seines Beraters war die Einladung „auf Anweisung des Staates“ zurückgezogen worden. Coach Mederos sprach lediglich von „höheren Kräften“.
Debakel beim Gold Cup sorgte für Umdenken
Zweieinhalb Jahre später ist es nun doch noch so weit. Der kubanische Fußballverband (AFC) gab grünes Licht für die Berufung. „Ein notwendiger Schritt für eine bessere Fußballnationalmannschaft“ titelte die Parteizeitung „Granma“. Den hatten die Fans seit Längerem gefordert. Vor allem seit dem sportlichen Debakel beim Gold Cup im Sommer 2019, als es 0:7-Klatschen gegen Mexiko und Kanada setzte. Kubas Fußball, so das Urteil der heimischen Presse damals, befinde sich an einem „Tiefpunkt seiner Historie“.
Dies dürfte zum Umdenken bei Kubas Verbandsoberen beigetragen haben. Eine offizielle Stellungnahme für die plötzliche Offenheit gegenüber Spielern außerhalb des nationalen Sportsystems war nicht zu bekommen. Der AFC erklärte aber, dass diejenigen, die bei Wettbewerben im Ausland desertiert seien, weiterhin keine Berücksichtigung für eine Rückkehr ins Nationalteam fänden. Ganz so weit geht die Öffnung dann doch nicht.
Trotz allem ist es eine bemerkenswerte Entscheidung. Sie erfolgt, da die kubanische Regierung bemüht ist, ihr Verhältnis zur Diaspora neu zu justieren. So wurden kürzlich die Möglichkeiten für Exilkubaner ausgeweitet, in die kubanische Wirtschaft zu investieren. Und nach den Fußballern könnten die Baseballer folgen. Vor wenigen Tagen erklärte der Baseballverband, die Berufung kubanischer Spieler im Ausland, die derzeit keine Verbindung zum Sportsystem der Insel haben, in Erwägung zu ziehen. Dies hätte noch größere Auswirkungen als die Nominierung der Fußballer.
Für die feierte Onel Hernández mit Beginn der zweiten Halbzeit dann doch noch sein Nationalmannschaftsdebüt. Dabei hatte er noch nicht einmal mit seinen Mitspielern trainiert. An der 0:1-Niederlage konnte aber auch er nichts ändern. Am Sonntag gegen Curação sollen es 90 Minuten für ihn werden. Noch einmal wird der Vulkan Pacaya hoffentlich nicht dazwischenfunken.