Eichlers Eurogoals : Mourinhos Schmähung, Wengers Poker
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José Mourinho bezeichnete Arsenals Coach Arsène Wenger erst als „Experte im Scheitern“, scheiterte dann aber dummerweise selber an Manchester City. Bild: AFP
Arsenals Trainer Arsene Wenger erlebt turbulente Tage. Von Chelsea-Kollege Jose Mourinho wird er aus heiterem Himmel geschmäht. Nach dem Wochenende muss man sich aber fragen: Wer ist hier der „Experte im Scheitern“?
Der Erinnerungswert einer Weltmeisterschaft wird gern überschätzt. Wer mag heute zum Beispiel noch glauben, dass im letzten WM-Finale, 2010 in Johannesburg, der heutige Hamburger Altherren-Fußballer Rafael van der Vaart zum Einsatz kam? Zur Erinnerung: Er verlor in der Verlängerung den Ball vor dem Siegtreffer der Spanier. Oder, noch unglaublicher, dass damals auch ein gewisser Edson Braafheid auf dem Platz stand? Und damals tatsächlich ein Profi des FC Bayern war?
In München war Louis van Gaals Mitbringsel aus der holländischen Heimat allerdings schon nach ein paar Monaten für untauglich befunden und an Celtic Glasgow ausgeliehen worden. Die Schotten gaben ihn rasch wieder zurück, ehe Braafheid ablöse- und inzwischen auch einsatzfrei in der sogenannten „Trainingsgruppe B“ in Hoffenheim gelandet ist. Die Karriere eines WM-Finalisten.
Der Mann, der van der Vaart und Braafheid damals gegen Spanien aufstellte, hieß Bert van Marwijk. Er hatte solch glänzende Fußballer wie Sneijder, Robben und van Persie zur Verfügung und ließ sein Team dennoch Amok laufen. Die Treter-Taktik der Niederländer verdarb Millionen Zuschauern die Freude am Zuschauen, wurde aber zum Glück nicht belohnt.
Van Bommel als Slomka-Nachfolger?
Van Marwijks Ruf als Trainer eines WM-Finalisten hat trotzdem noch ein paar Jahre gehalten, zumindest in Hamburg. Das bringt dem holländischen Häuptling Silberhaar nun wenigstens noch eine hübsche Abfindung für seine verdienstvolle viermonatige Tätigkeit als sportlicher Konkursverwalter des HSV ein.
Sein Schwiegersohn Mark van Bommel, der die Spielerkarriere im vergangenen Mai in Eindhoven standesgemäß mit einer Roten Karte im letzten Spiel beendete, soll sich unterdessen bereits auf eine Trainerlaufbahn vorbereiten. Vielleicht reicht es für die Slomka-Nachfolge.
Der Schiedsrichter, der im WM-Finale 2010 van Bommels gemeingefährlicher Sense gegen Andres Iniesta die hoch verdiente Rote Karte vorenthielt und sogar dem Tritt, mit dem Nigel de Jongs Stollen den Brustkorb von Xabi Alonso tätowierten – dieser Schiedsrichter hat am Sonntag gezeigt, dass er rechtzeitig vor seiner Entsendung zur WM in Brasilien wieder die Finalform von 2010 erreicht hat.
Howard Webb brachte dabei das seltene Kunststück fertig, dass ihn am Ende der Partie die Fans beider Lager beschimpften und skandierten: „Du bist nicht fähig, ein Spiel zu pfeifen“. Beim 2:1-Sieg im Pokal, mit dem der FC Arsenal gegen den FC Liverpool Revanche nahm für das 1:5-Debakel an der Anfield Road eine Woche zuvor, verwehrte Webb den Liverpoolern nach einem Holzhacker-Foul von Alex Oxlade-Chamberlain an Luis Suarez einen kristallklaren Elfmeter. Kurz danach traute er sich auf der anderen Seite nicht, den bereits verwarnten Nationalmannschaftskapitän Steven Gerrard nach einer Blutgrätsche gegen Oxlade-Chamberlain vom Platz zu stellen.
Mourinho lästert, Wenger gewinnt
Webbs Wahrnehmungsstörungen haben immerhin doch etwas Gutes: Als Profi-Schiedsrichter auf dem Fußballplatz kann er damit letzten Endes weniger Schaden anrichten als in seinem erlernten Beruf als Sergeant der Polizei.
Turbulente Tage sind es also für Arsenal-Trainer Arsène Wenger, den der Kollege José Mourinho aus heiterem Himmel in einer Pressekonferenz geschmäht hatte, Wenger sei „ein Experte im Scheitern“, im Gegensatz natürlich zu sich selber. Dann aber verlor der Portugiese, der sich verbal schon warm macht für die üblichen Psychospiele im engen englischen Meisterschaftsrennen. Chelsea unterlag 0:2 im Pokal bei Manchester City, während Arsenal gegen Liverpool gewann. So konnte Wenger vornehm zurückhaltend und zugleich hörbar schadenfroh auf die Anwürfe reagieren. Er habe „wenig Lust, dumme und respektlose Kommentare abzugeben“, und wolle deshalb zu Mourinho schweigen. „Aber was ich weiß, ist, dass die Sache peinlicher für Chelsea ist als für mich“.
Wenger hatte drei Tage vor dem Champions-League-Duell mit dem FC Bayern erfolgreich gepokert und, ähnlich wie der Kollege Pep Guardiola, mehrere Stammspieler geschont, obwohl für Arsenal im Pokal-Viertelfinale mehr auf dem Spiel stand als für die Bayern in der Liga gegen Freiburg. Das gab Lukas Podolski die Gelegenheit, sich mit dem Treffer zum 2:0 mal wieder als Torschütze in Erinnerung zu bringen.
Giroud erkämpft WM-Platz
Die Rolle als Mittelstürmer durfte erstmals der 21-jährige Ivorer Yaya Sanogo übernehmen, der zuvor nur durch das blaue Auge aufgefallen war, das er Abwehrchef Per Mertesacker im Training verpasst hatte. Er bereitete das 1:0 von Oxlade-Chamberlain vor.
Normalerweise steht Olivier Giroud im Sturmzentrum, aber „er sah zuletzt etwas müde aus“, wie Wenger süffisant sagte. Giroud durfte sich 89 Minuten auf der Bank ausruhen – offenbar wegen eines Treffers, den er zwei Wochen zuvor gelandet hat, allerdings nicht im Flutlicht des Emirates-Stadions, sondern im Dämmerlicht eines Luxus-Hotels. Nach dem Bericht eines Boulevardblattes, der Stürmer habe mitten in der Nacht vor dem 2:0-Sieg gegen Crystal Palace Besuch von einem amerikanischen Model bekommen, was durch Fotos des leicht bekleideten Franzosen erhärtet wurde, räumte Giroud 90 Minuten vor Anpfiff des Pokalspiels alles ein. Er entschuldigte sich über Twitter bei Frau, Familie, Freunden und Teamkollegen für den Fehltritt – bei dem es nicht zu Sex gekommen sei.
Nun, sie werden wohl gute Gespräche geführt haben, über Fußball möglicherweise oder über Entspannungstechniken. Giroud hat übrigens, ebenso wie die jüngst mangels Beweisen vom Vorwurf der Unzucht mit Minderjährigen freigesprochenen Franck Ribéry und Karim Benzema, schon jetzt einen Platz im WM-Team von Frankreich so gut wie sicher – jenem Team, das 2010 in Südafrika gegen Trainer Raymond Domenech meuterte und für den größten Skandal des Turniers sorgte. Wird bestimmt wieder eine lustige WM. Mit guten Gesprächen und ein paar Finalisten zum Vergessen.