Effenberg-Kommentar : Schalker Schnupperstunde
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Selbstbewusst: Stefan Effenberg Bild: dpa
Effenberg auf Schalke - eine spannende Vision: Er kennt keine Angst, hat grenzenloses Selbstbewusstsein, ist kampferprobt auf vielen Feldern des Fußballs. Nur was er als Trainer zu leisten imstande ist, weiß niemand.
Effenberg ad portas, und das auch noch „auf“ Schalke. Diese Vorstellung verheißt Unterhaltung. Der zweitgrößte Fußballverein des Landes und eine der schillerndsten Figuren in fünfzig Jahren Bundesliga erörtern die Möglichkeit einer Zusammenarbeit. So wird es auf dem Boulevard kolportiert, und die Dementis ertönen nicht in dem geifernden Unterton, den sie in dieser Branche zumeist an sich haben. Effenberg als Trainer des FC Schalke 04 - eine spannende Vision.
Was er als Fußball-Lehrer zu leisten imstande ist, weiß niemand. Effenberg hat noch keine Mannschaft in eigener Verantwortung trainiert. Dennoch besitzt er Eigenschaften, die für den Job im Ruhrgebiet vonnöten sind: Er kennt keine Angst; er besitzt eine Vita als bedeutender Spieler; er ist kampferprobt auf allen Feldern des Fußballs, eingeschlossen die Boulevard-Medien, die an Schalke und auch an der Privatperson Effenberg traditionell besonderen Gefallen finden.
Warum also soll dieser Mann sein grenzenloses Selbstbewusstsein nicht als Cheftrainer auf einen Verein übertragen, der grenzenlos polarisiert? Weil es dafür keinen Grund gibt - könnte das Publikum einwenden. Eigentlich müssten die Verantwortlichen von Schalke 04 diesen Einwand erheben, wenn sie ihren eigenen Standpunkt ernst nehmen. Wochen, ja Monate haben sie darauf verwandt, ihren Cheftrainer Jens Keller gegen (vermeintliche) Angriffe aus der Öffentlichkeit in Schutz zu nehmen. Immer wieder haben sie „den Medien“ vorgeworfen, Keller von Anfang an der Chance beraubt zu haben, eine faire Bewertung zu erfahren.
Jetzt, drei Runden vor dem Saisonende, steht Schalke auf dem vierten Platz. Nach dem souveränen 4:1 gegen den HSV am Sonntag ist der Revierklub auf dem Weg, das Ziel zu erreichen, das Keller vom Management vorgegeben wurde. Dennoch verhandeln die Gelsenkirchener mit Effenberg, wie sie vorher mit Armin Veh, dem Frankfurter Trainer, verhandelt haben. Sie tun das vermutlich aus dem Grund, den Kritiker schon bei der Verpflichtung Kellers benannt haben. Es fehlt ihm an der Ausstrahlung, die nötig wäre, um auf Schalke geliebt oder wenigstens gefürchtet zu werden. Dieses Defizit hätte Effenberg nicht.
Nicht die gesamte Öffentlichkeit in der Lobby
Obwohl die Entwicklung dieser Personalie realistische Züge trägt, erinnern die Gelsenkirchener Sondierungsgespräche ein wenig an die Verhandlungen, die der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Tönnies vor vier Jahren mit Oliver Kahn führte, der als Kandidat für den Managerposten vorsprach, ehe Felix Magath den Zuschlag erhielt - als Trainer und als Vorsitzender des Vorstands. „Schalke ist ein geiler Klub, da wollen viele hin“, sagte Tönnies damals. Das gilt wohl auch für Effenberg.
In diesem Fall ist es Tönnies immerhin gelungen, dass nicht die gesamte Öffentlichkeit in der Lobby des Hotels saß, als es zum Gespräch kam. Sollte es bei Effenberg wie bei dessen früherem Mitspieler Kahn letztlich doch nicht zu einem Engagement kommen, wäre den Schalkern zu wünschen, dass sie einen Kandidaten in der Hinterhand haben, dessen Wirken weniger kostspielig ist, als es bei Magath der Fall war.