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Probleme beim DFB-Team : Bierhoff und eine Brandrede gegen die Kritik

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Deutliche Worte vor den abschließenden Länderspielen des Jahres: Oliver Bierhoff Bild: Picture-Alliance

Das deutsche Fußball-Nationalteam durchlebt gerade schwere Zeiten. Sportlich läuft es nicht rund, die Kritik am Bundestrainer nimmt zu. Nun macht Oliver Bierhoff seinem Ärger darüber mit deutlichen Worten Luft.

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          Bundestrainer Joachim Löw verschwand gerade fröhlich grüßend durch die Drehtür im Teamhotel, als Oliver Bierhoff in einem flammenden Plädoyer mehr Respekt und Unterstützung für die Nationalmannschaft einforderte. In einer viertelstündigen Brandrede gestikulierte der Direktor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sichtlich aufgewühlt und machte seinem Ärger über die aus seiner Sicht unberechtigte Kritik in Zeiten des Neuaufbaus Luft.

          „Es tut mir sehr weh, wie mit den jungen Spielern umgegangen wird. Ich merke, dass das wie eine dunkle Wolke über der Mannschaft schwebt“, sagte Bierhoff nach seiner Ankunft in Leipzig. In der Kabine sehe er „müde Gesichter“, er spüre „die Anspannung und den Frust“. Man könne „gerne Jogi und mich als Verantwortliche kritisieren, aber die jungen Spieler haben unser Vertrauen verdient – und sie werden es zurückzahlen“. Gegen den Vorwurf mangelnder Kritikfähigkeit wehrte sich Bierhoff vor dem anstehenden Länderspiel-Dreierpack ausdrücklich, auch wolle er „kein Mitleid“. Es gehe ihm „viel mehr um die Tonalität, um die Stimmung, die generell hineintransportiert wird“, betonte der 52-Jährige.

          Bierhoff räumte ein, dass die Nationalmannschaft die Fans „tief enttäuscht“ und „Sympathien verspielt“ habe. „Dass wir derzeit nicht gerade Deutschlands liebstes Kind sind und nicht das Lagerfeuer, das ist einfach Fakt“, sagte der Europameister von 1996. Aber: „Der Verband hat in vielen Bereichen unglaublich tolle Arbeit geleistet. Da sind viele Dinge, die unter dieser Wolke nicht nach vorne treten. Wenn wir alle gemeinsam ein bisschen Wind machen, dass die Wolke weggeht, dann wäre ich happy.“

          Viel Wind will auch Löw mit seiner stark ersatzgeschwächten Mannschaft zum Ende eines eigentlich verlorenen Jahres entfachen. Man wolle „mit guten und erfolgreichen Spielen ein sportliches Ausrufezeichen zum Abschluss dieses schweren Jahres setzen“, sagte Löw ungeachtet aller Personal- und Abwehrsorgen. „Wir sind auf einem guten Weg. Aber wir haben auch noch ein ganzes Stück vor uns, wenn wir dahin kommen wollen, dass wir bei der EM wieder ein ernsthafter Konkurrent für alle sind“, sagte Löw im „Sportbuzzer“-Interview.

          Auf diesem Weg könnten Philipp Max (PSV Eindhoven), Felix Uduokhai (FC Augsburg) und Ridle Baku (VfL Wolfsburg) am Mittwoch (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Länderspielen und bei RTL) gegen Tschechien ihr Debüt geben. „Wir laden niemanden ein, dem wir nicht zutrauen würden, es zu schaffen“, sagte Löw, der wohl eine Mannschaft aufbieten wird, die mit Wohlwollen noch als B-Elf bezeichnet werden kann.

          Die Stammkräfte Manuel Neuer, Leon Goretzka, Serge Gnabry, Leroy Sane, Timo Werner, Toni Kroos und Matthias Ginter reisen erst am Donnerstag für die beiden Nations-League-Spiele gegen die Ukraine (14. November) und drei Tage später in Spanien an. Mit zwei Erfolgen hätte sich die DFB-Auswahl den Gruppensieg gesichert und für das Finalturnier im Oktober 2021 qualifiziert. „Gegen die Ukraine wollen wir klar gewinnen“, sagte Bierhoff. Das Ziel sei es, „in Spanien volles Risiko gehen zu können“.

          Dafür muss aber die Gegentorflut gestoppt werden. Beim „Tripleheader“ im Oktober gab es gegen die Türkei, Ukraine und Schweiz sieben Gegentreffer. „Es ist unsere Aufgabe, dieses Defizit schnellstmöglich abzustellen“, sagte Ginter im „Kicker“-Interview. Dafür Mats Hummels oder Jerome Boateng zurückzuholen, schloss Löw allerdings abermals aus. „Wir haben uns grundsätzlich dazu entschieden, diese Spieler nicht zu nominieren, daran hat sich jetzt nichts geändert“, sagte er dem „Kicker“ – und schloss auch Thomas Müller ein. Man könne „das jetzt nicht rückgängig machen“, so Löw.

          Eine Hintertür ließ er hingegen Mario Götze offen. „Wir verlieren auch ihn nicht aus den Augen, ganz klar“, sagte der 60-Jährige. Das letzte von bislang 63 Länderspielen (17 Tore) des WM-Helden von 2014 liegt knapp drei Jahre zurück. Allerdings dürften die Chancen von Götze nicht ganz so groß sein, Löw vertraut seinem derzeitigen Kader. „Eine Mannschaft braucht Konstanz, Automatismen, Sicherheit, blindes Verständnis untereinander. Eine Mannschaft muss wachsen, die Abläufe müssen sich entwickeln“, sagte Löw. Aussagen, die auch Bierhoff gefallen.

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