Im DFB-Pokal gegen Dortmund : Adrenalin auf dem Rasen beim VfL Bochum
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Alle für einen: Der VfL will den BVB ärgern. Bild: picture alliance / Eibner-Pressefoto
Ins Pokal-Duell mit dem großen Nachbarn aus Dortmund geht der kleine VfL Bochum mit breiter Brust. Das liegt am Trainer – und am Stadion. Es dürfte das spannendste Revierderby der Saison werden.
Ganz jung ist Thomas Letsch mit seinen 54 Jahren nicht mehr, und viel erlebt hat der Trainer des VfL Bochum auch schon – zum Beispiel ein Europapokalduell mit Tottenham Hotspur in seiner Zeit bei Vitesse Arnheim oder ein gegen Ajax Amsterdam verlorenes Pokalfinale sowie aufgeladene Stadtderbys als Trainer der Austria Wien. Und dennoch wäre es nicht verwunderlich, wenn weniger beflissene TV-Zuschauer beim DFB-Pokal-Duell des VfL Bochum mit Borussia Dortmund (20.45 Uhr, im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal, im ZDF und bei Sky) fragen: Wer ist eigentlich dieser Trainer mit der Glatze da?
Schließlich staunt Letsch selbst noch ein wenig darüber, wo er mittlerweile angekommen ist, nachdem er eigentlich ein Berufsleben als Lehrer für Mathematik und Sport geplant hatte. „Grundsätzlich genieße ich jeden Moment dieses Trips“, sagt er vor dem vielleicht größten Spiel seiner bisherigen Karriere, „ein Achtelfinale, ein Derby vor eigenem Publikum, das ist etwas ganz Besonderes.“
In jedem Fall wird Letsch bei diesem Duell mit dem Giganten aus der Nachbarstadt stärker beachtet werden als während seiner bisherigen Auftritte in der Bundesliga, wo er Erstaunliches bewirkt hat. Bevor der im schwäbischen Esslingen geborene Trainer, der sich im süddeutschen Dunstkreis von Ralf Rangnick entwickelte, am achten Spieltag in Bochum debütierte, galt der VfL als sicherer Abstiegskandidat. Der Klub stand mit einem Punkt auf dem letzten Tabellenplatz, noch so ein zuckersüßes Underdog-Jahr wie nach dem Aufstieg 2021 trauten die meisten Beobachter dem VfL eher nicht mehr zu. „Wir sind das kleinste Licht in der Liga und versuchen dafür zu sorgen, dass das keine Rolle spielt“, sagt Letsch immer noch. Aber das gelingt hervorragend.
„Das passt einfach zusammen“
Kaum war dieser Trainer Ende September in Bochum angekommen, begann die Mannschaft im heimischen Stadion einen Sieg an den nächsten zu reihen. Alle fünf Heimspiele hat der Revierklub unter Letsch gewonnen, 15 der insgesamt 19 Punkte in der Bundesliga haben sie in diesen Partien gesammelt. Das ist eine Stärke, die auch den Dortmundern Respekt einflößen muss, zumal sie selbst in der Vorsaison beim 1:1 beim VfL zu spüren bekamen, wie unangenehm es ist, in diesem besonderen Stadion zu spielen.
Welche Energien frei werden, wenn das Adrenalin von den Rängen auf den Rasen schwappt und der Glaube des Underdogs an die eigene Spielweise immer stärker wird. Den FC Bayern haben sie in der vergangenen Saison sogar mit 4:2 besiegt. Solche Erlebnisse nähren den Glauben, dass weitere Überraschungen möglich sind. Gegen Dortmund und warum nicht ein weiteres Mal gegen die Münchener, wo Bochum am kommenden Samstag zu Gast sein wird. „Seit der neue Trainer da ist, haben wir unseren Kurs wiedergefunden. Das passt einfach zusammen“, sagt Kapitän Anthony Losilla. „So muss es sein.“
Bier, Bratwurst, Grönemeyer
Die Kernaspekte des Erfolgskonzeptes sind unverändert: Sie verteidigen gut organisiert und leidenschaftlich, um dann mit ihren schnellen Flügelspielern umzuschalten. Der VfL spielt wie auch beim Klassenverbleib vor einem Jahr intensiv, pragmatisch und mit klarem Konzept. Deshalb fühle sich die Situation ganz ähnlich an, sagt Losilla und lobt die Arbeit des Trainers: „Eigentlich haben wir ungefähr dasselbe Prinzip, aber wir gehen mehr in die Details, wir versuchen unser Spiel von Woche zu Woche zu perfektionieren.“
Rückschläge sind trotz des weiterhin drohenden Abstiegs bislang kein großes Problem. Sein Team habe es „wieder geschafft“, nach einem schwachen Auswärtsspiel „die Kurve zu kriegen“, sagt Letsch, nachdem seine Mannschaft nach einer 2:5-Niederlage am vergangenen Wochenende 5:2 gegen Hoffenheim gewann.
Vielleicht spielt tatsächlich dieses vielfach gefeierte Stadion an der Castroper Straße eine Rolle, von dem in der vergangenen Saison nach dem Aufstieg ständig und überall geschwärmt wurde. Hier lässt sich der Fußball immer noch ziemlich genau so erleben, wie er schon vor 30 Jahren war: mit Bier, Bratwurst, Grönemeyers „Bochum“ und einer Mannschaft, die an den guten Tagen das eigene Publikum mitreißt.
Die Annahme, dass dieser Zauber im zweiten Bundesligajahr an Kraft verlieren könnte, hat sich definitiv als Fehleinschätzung entpuppt, und nun wirkt auch noch die Kraft der Serie: „Es macht schon etwas, wenn du fünf Spiele in Serie gewinnst, da gehst du anders in so ein Spiel rein“, sagt Letsch vor dem Duell gegen den BVB, der ja ebenfalls ganz gut in Form ist vor diesem wahrscheinlich spannendsten Revierderby, das diese Saison zu bieten hat.