DFB-Team nach EM 2024 : Die düstere Prognose des Rudi Völler
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Kein Schönfärber: Rudi Völler weiß um die Schwächen der Nationalmannschaft. Bild: Reuters
Rudi Völler hilft der Nationalmannschaft mal wieder in der Not. Der Optimismus für die Heim-EM 2024 ist groß. Doch dass es um die Zukunft schlecht bestellt ist, geht dabei fast unter.
Die Rolle von Gerhard Mayer-Vorfelder nahm diesmal Hans-Joachim Watzke ein. Im Juli 2000 sorgte Mayer-Vorfelder, der damalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), nach dem Debakel mit dem Aus nach der Vorrunde bei der Europameisterschaft in der Runde, die einen Bundestrainer als Nachfolger von Erich Ribbeck finden sollte, für den entscheidenden Satz: „Mach du es, Rudi.“ Rudi Völler machte es und führte die deutsche Nationalmannschaft als Teamchef ins Finale der Weltmeisterschaft 2002, ehe seine Zeit mit dem frühen EM-Aus 2004 endete.
Nun also war es Watzke, der für den Durchbruch sorgte. „Ich habe spontan gesagt: ‚Rudi, das wäre doch was für dich‘“, berichtete Watzke aus dem Innenleben der Taskforce, die einen Nachfolger von Oliver Bierhoff ausdeuten sollte und in der noch DFB-Präsident Bernd Neuendorf, Oliver Kahn, Karl-Heinz Rummenigge, Oliver Mintzlaff und Matthias Sammer saßen. Völler aber machte es sich und den anderen bei diesem „kleinen Déjà-vu“ mit seiner Zusage für den Übergang von der halb passiven in die höchst aktive Phase der Altersteilzeit nicht ganz so einfach. Erst nach weiteren Gesprächen und einiger Bedenkzeit sagte er der Runde: „Wenn ihr das alle befürwortet, dann bin ich bereit.“
Offiziell ist Völler, der seine Aufgaben in der zweiten Reihe bei Bayer Leverkusen im Gesellschafter-Ausschuss und als Botschafter des Bundesligavereins vorerst ruhen lässt, vom 1. Februar an „Direktor der A-Nationalmannschaft der Männer“ und dabei auch für das U-21-Team zuständig. Aber schon zwölf Tage vorher sprach er bei seiner Vorstellung an der Seite von Neuendorf und Watzke am Freitag auf dem DFB-Campus darüber, warum er sich habe „überzeugen lassen“.
„Wichtig ist, dass wir sportlichen Erfolg haben“
Hauptgrund war der Ausblick auf die EM 2024 im eigenen Land. „Das ist ein Riesenpfund. Wir haben vier Wochen eine wunderbare Gelegenheit, uns als Deutschland zu zeigen.“ Zuvor bleiben Völler 511 Tage mit dem noch urlaubenden Bundestrainer Hansi Flick, mit dem er am Morgen lange telefoniert hatte und mit dem er sich bald persönlich treffen wird, um die Männer-Nationalmannschaft nicht nur sportlich, sondern auch atmosphärisch fit zu machen für das Turnier im eigenen Land.
Auch wenn der Blick in die Zukunft gehen sollte, wurde viel über die Vergangenheit geredet, über die des 62 Jahre alten Völler, aber auch die der Nationalelf. Die bleiernen Jahre seit dem WM-Desaster 2018 bis zu dem von 2022 hängen wie eine dunkle Wolke über dem deutschen Fußball. Die wird auch nicht allein davon vertrieben, dass Völler bei der EM auf ähnlich „schönes Wetter wie 2006“, bei der Heim-WM, hofft. Der Liebesentzug vieler Fans ist nicht erst seit der Debatte um die „One Love“-Binde in Qatar eklatant.
Bei der Frage nach konkreten Maßnahmen blieb Völler jedoch relativ unkonkret. Nur mit den alten Schlagworten Demut, Teamgeist und dem Schulterschluss zwischen DFB und Vereinen, die er nannte, wird es nicht gehen. Aus Erfahrung weiß Völler: „Wichtig ist, dass wir sportlichen Erfolg haben.“ Dass der sich einstellen wird, ist seine Überzeugung: „Wir haben eine sehr, sehr gute Mannschaft, die um den Titel mitspielen kann. Ich bin total optimistisch.“
Beim Rückblick auf die WM fand er, dass „wir uns nicht vor Argentiniern oder Kroaten verstecken dürfen“. Deutschland werde eine gute EM spielen: „Wir kriegen das hin.“ Auf dem Weg zum Turnier, das am 14. Juni 2024 in München mit den Deutschen im Eröffnungsspiel startet, warten aber nur Testpartien ohne Wettbewerbscharakter. Die ersten beiden finden Ende März statt, Gegner und Spielorte sollen in den kommenden Tagen verkündet werden.
Völlers Zeit als DFB-Direktor soll bis zum Ende der EM beschränkt bleiben. Dass er, wie vor 22 Jahren, als Christoph Daum wegen der Kokainaffäre nicht wie geplant Bundestrainer wurde, auch nach dem Turnier bleibt, schloss er aus. „Nein, das ist mein Plan und der Grund, warum ich das mache.“
Was Völler Sorgen macht
Gedanken aber hat er sich gleichwohl auch schon um die Zukunft gemacht. Denn so optimistisch er der Europameisterschaft in eineinhalb Jahren entgegenblickt, so düster sieht selbst er die Zukunft des deutschen Fußballs. „Was wird in sechs, acht, zehn Jahren sein?“, fragte er und gab die Antwort gleich selbst: „Man muss sich Sorgen machen, wie es danach aussieht.“ Noch hat das erste DFB-Team hoffnungsvolle Talente wie Jamal Musiala, Florian Wirtz oder Youssoufa Moukoko. Und dann?
Schon in Qatar wurden einige Schwachstellen deutlich, in der Abwehr, auf den Außenbahnen und, seit Miroslav Klose nach dem WM-Titel 2014 seine Karriere im Nationalteam beendete, auch schon auf der Position des Mittelstürmers. Schließlich wird WM-Entdeckung Niclas Füllkrug auch schon bald 30 Jahre alt.
Bis einschließlich zur WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko sieht Völler noch gute Perspektiven, danach könnte es, Stand jetzt, düster werden. Talente gibt es zwar, aber zuletzt schaffte es der deutsche Fußball nicht mehr, sie auf Weltniveau zu entwickeln.
Völler wird, so er dem aktuellen Plan folgt und nicht wieder etwas dazwischenkommt, dann aber tatsächlich Rentner sein und sich die Zukunft des deutschen Fußballs aus der Ferne anschauen. Für den Moment ist gesorgt mit Völler als Gesicht des Weges zum nächsten Turnier im eigenen Land. Doch genauso wichtig wie der kurzfristige Erfolg der EM-Kampagne ist die Sorge um die Zukunft des deutschen Fußballs. Dafür wird, so viel ist nicht erst seit Freitag klar, Völler nicht stehen.