Corona-Tests nur für Fußball? : „Das ist unverhältnismäßig“
- Aktualisiert am
Geisterspiele in der Bundesliga: Schon im März spielten Mönchengladbach und Köln ohne Zuschauer gegeneinander. Bild: dpa
Wenn es in der Bundesliga demnächst weitergehen soll, würden wohl Corona-Tests in großen Mengen nur für die Spieler und Betreuer benötigt. Auch die Auswertung müsste schnell geschehen. Das gefällt nicht jedem.
Für Sportphilosoph Gunter Gebauer ist die Durchführung von Geisterspielen in der Fußball-Bundesliga in Zeiten der Coronakrise moralisch äußerst bedenklich. Durch die notwendigen Schnelltests, die man für die Geisterspiele benötigt, erhalte der Fußball Sonderrechte, die nicht zu rechtfertigen seien, sagte der Sportwissenschaftler und Philosoph im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID).
„Schnelltests sind in der Anschaffung gar nicht mal so teuer, aber man muss sie ja auch auswerten. Und das ist die Achillesferse“, sagte Gebauer. Unglücklicherweise gebe es keine deutschen Hersteller der Reagenzien, man benötige die Hilfe aus dem Ausland. Dadurch könne Deutschland maximal mit 700.000 Testergebnissen pro Monat rechnen.
„Wenn nun 20.000 Tests benötigt werden, allein um die Bundesliga-Saison mit Geisterspielen zu Ende zu bringen, ist das eine Menge angesichts der vielen gefährdeten Menschen, die diese Tests dringend benötigen“ sagte Gebauer und erklärte: „Ich halte das für unverhältnismäßig.“
Italien geht voran
Der italienischer Fußballverband FIGC will bereits ab Ende April bei den Spielern Covid-19-Tests durchführen, um damit die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Trainings im Profifußball zu schaffen. Der Verband hofft, dass das Training nach Ende des von Italien verhängten Lockdowns am 3. Mai starten kann. „Unser Ziel ist, die Meisterschaft 2019/20 zu Ende zu führen“, sagte Verbandschef Gabriele Gravina im Interview mit dem TV-Sender Sky Italia am Ostermontag. Dass die Meisterschaftsspiele in den Sommermonaten ausgetragen werden, schloss Gravina nicht aus. Italien beklagt fast 20.000 Todesopfer aufgrund der Corona-Pandemie.
Gebauer glaubt weiterhin, dass der Sport in Deutschland nach der Coronakrise eine andere Rolle in der Gesellschaft einnehmen wird. Die Menschen würden sich nicht mehr so stark der Sportunterhaltung widmen, sondern werden sich verstärkt existenziellen Fragen zuwenden.
„Der Sport wird nach der Coronakrise einen anderen Platz einnehmen, etwas herabgesetzter, nicht erniedrigt, darum geht es nicht“, so der Sportwissenschaftler. „Der Sport ist wichtig für das Gemeinschaftsleben, aber man wird erkennen, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als ein Fußballspiel.“
Gebauer glaubt, dass Leute, die sonst nicht zum Philosophieren neigen, verstärkt darüber nachdenken werden, wie es mit ihnen und ihren Familien weitergehen wird. Viele Familien hätten Angehörige verloren und könnten weitere verlieren. „Corona rückt die Dinge ein bisschen ins Lot“, sagte Gebauer, „nämlich, dass man erkennt, was im Leben wirklich wichtig ist, dass man nicht allein lebt.“