Corona-Krise und Fußball : Auf den Abbruch folgt in Frankreich der Ärger
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Thomas Tuchel und Paris werden nach dem Abbruch zum Meister in Frankreich erklärt. Bild: dpa
Als erste der großen europäischen Fußballligen beendet die Ligue 1 ihre Saison wegen der Corona-Krise. Thomas Tuchel und Paris sind Meister. Doch dahinter gibt es Aufregung, die sich so schnell nicht legen dürfte.
Selten dürfte eine Meisterschaftsfeier nüchterner ausgefallen sein. Am Donnerstag erklärte die Liga des französischen Profifußballs (LFP) die Saison 2019/2020 für beendet und machte Paris Saint-Germain damit zum Meister. Es ist das neunte Mal, dass der von Qatar gestützte Profiklub das höchste Treppchen des französischen Fußballs besteigen darf – virtuell in diesem Jahr, wie es sich in Zeiten der Corona-Krise von selbst versteht. Der Verein widmete seinen Sieg dem Gesundheits- und Pflegepersonal sowie allen „Helden des Alltags“, die ihre Pflicht tun, wie der PSG-Vorstandsvorsitzende Nasser Al-Khelaifi auf der Website mitteilte. Von Trainer Thomas Tuchel kam keine Stellungnahme.
Die „Ligue 1“ pfeift damit als erste der fünf größten europäischen Ligen die Saison vorzeitig ab. Premierminister Édouard Philippe hatte am Dienstag bekanntgegeben, dass die Spiele auch mit der Lockerung der Ausgangssperre vom 11. Mai an nicht wiederaufgenommen werden dürfen. Allenfalls im August könnten Begegnungen hinter verschlossenen Türen stattfinden, ergänzte die Sportministerin Roxana Maracineanu.
Doch die Funktionäre der LFP beschlossen nach einer Aufsichtsratssitzung und einer außerordentlichen Mitgliederversammlung das Ende der Saison und legten als Stichdatum den 28. Spieltag vom 6. bis zum 8. März 2020 fest, als die letzten Begegnungen ausgetragen wurden. Doch die seither eingefrorenen Tabellenstände konnten damit nicht einfach übernommen werden, denn nicht alle Klubs haben in dieser Saison die gleiche Zahl von Spielen absolviert. Daher wurde die Punktzahl durch die Zahl der Spiele dividiert. Nach diesem System sind nun der Meister, die Teilnehmer an den europäischen Wettbewerben sowie Absteiger und Aufsteiger der zweiten Liga festgelegt worden.
Bis zuletzt war die Entscheidung umstritten. Sie wird wohl eine Reihe von juristischen Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Zu den Unzufriedenen gehört etwa der Präsident von Olympique Lyon, Jean-Michel Aulas, dessen Klub jetzt nur auf dem siebten Platz rangiert und damit das internationale Geschäft erstmals seit 20 Jahren verpassen würde. Der als einflussreich geltende Vereinsfunktionär hatte Play-off-Spiele im August gefordert. Die nun getroffene Entscheidung der LFP sei unfair, sagte Aulas in einem Interview.
Der Fünftplazierte Nizza beispielsweise komme auf mehr Heimspiele als Lyon und habe nur einmal gegen den übermächtigen Pariser Klub PSG spielen müssen – Lyon dagegen zweimal. Lyon habe zudem in den vergangenen Jahren häufig am Saisonende noch kräftig aufgeholt, sagte Aulas. Das sei nun nicht mehr möglich. Er bezifferte den Schaden für seinen Klub auf „mehrere Dutzend Millionen Euro“, die er nun einklagen wolle. Auch Absteiger SC Amiens kündigte am Freitag an, rechtliche Schritte prüfen zu wollen.
Die Gegner der gefundenen Lösung hatten auch argumentiert, dass eine Saison nicht beendet sei, wenn nicht alle Spiele ausgetragen wurden. Einige plädierten dafür, gar keine Gewinner, Absteiger und andere Qualifizierungen zu vergeben. Eine noch am Donnerstag diskutierte Lösung sah auch vor, die Saison mit dem 27. Spieltag zu beenden, als alle Vereine auf die gleiche Anzahl an Spielen kamen.
Das hätte zwar nicht an der Spitze, wo PSG mit großem Abstand dominiert, zu anderen Ergebnissen geführt, wohl aber auf den hinteren Rängen. Mit dem Abrechnungsdatum des 27. Spieltags wären neben Lille die Vereine Lyon, Montpellier und Monaco für zwei der drei Europa-League-Ränge in Frage gekommen. Hätte man nach der Tordifferenz entschieden, wären Lyon und Montpellier für den europäischen Wettbewerb qualifiziert gewesen.
Mit dem Abpfiff nach dem 28. Spieltag und dem Kalkül der durchschnittlichen Punkte je Spiel landen dagegen neben Lille die Klubs von Reims und Nizza auf den Plätzen der Europa League. Dagegen änderte sich auf den Plätzen, die zur Champions-League-Teilnahme berechtigen (Paris, Marseille und Rennes), sowie bei den Absteigern (Amiens und Toulouse) in den verschiedenen Modellen nichts.