Frankfurt in Marseille : Kann die Eintracht auch Champions League?
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„Wir alle wollen ein friedliches Fußballfest mit zwei tollen Traditionsklubs in Europa“: Eintracht-Trainer Oliver Glasner Bild: dpa
Nach dem 0:3 gegen Sporting Lissabon will die Eintracht in Marseille ihren Kurs korrigieren. Für die Frankfurter Anhänger gibt es ein Déjà-vu: Sie sind in der Stadt strengen Auflagen ausgesetzt.
Gleicher Gegner, ähnliche Vorzeichen. Wie schon vor ziemlich genau vier Jahren, als sich die Eintracht und Olympique Marseille erstmals unter europäischen Vorzeichen gegenüberstanden, gab es für Frankfurter Fußballfans erhebliche Restriktionen. Damals war es ihnen sogar untersagt, live vor Ort im Stade Vélodrome zu sein. Wegen vormaliger Verfehlungen französischer Anhänger fand die Europa-League-Partie unter Ausschluss von Zuschauern statt.
Diesmal ist die Lage ein wenig anders. Wenn sich der Ligue-1-Meisterschaftszweite Marseille und der Bundesligaelfte Frankfurt an diesem Dienstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Champions League und bei DAZN) im Premiumwettbewerb der Europäischen Fußball-Union wieder sportlich messen, wird das Stadion prall gefüllt sein.
Unter den gut 66.000 Zuschauern werden 3300 Eintracht-Fans sein, die ebenso wie Trainer Oliver Glasner auf die Wende hoffen. Nach dem missglückten Start in die erstmalige Champions-League-Kampagne braucht die Eintracht eine schnelle Kurskorrektur. Ansonsten droht nach der 0:3-Auftaktniederlage gegen Sporting Lissabon und einem weiteren unbefriedigenden Abschneiden an der französischen Mittelmeerküste das frühe Ende aller Königsklassenträume.
„Daraus müssen wir lernen“
Der Eintracht-Trainer hat eine klare Vorstellung, wie es sportlich und atmosphärisch an diesem Dienstag laufen soll. „Wir alle wollen ein friedliches Fußballfest mit zwei tollen Traditionsklubs in Europa. Die bislang gezeigten Leistungen stimmen mich positiv für ein sehr intensives Spiel“, sagte Glasner und erinnerte am Montag bei der Pressekonferenz im Stade Vélodrom daran, „dass wir eine bessere Auswärts- als Heimbilanz haben“. Den Schlüssel für einen angestrebten Sieg sieht der zuletzt auch in der Bundesliga geschlagene Trainer in einer „hohen mentalen Bereitschaft. Gegen Wolfsburg sind wir nicht an unsere Leistungsgrenze gekommen. Daraus müssen wir lernen.“
Keine Schals, keine Trikots, keine Gesänge, nichts – die Auflagen der Behörden für den Tag vor dem Spiel waren rigide. Außerhalb des Stadions mussten Eintracht-Anhänger bis zu diesem Dienstag um zwei Uhr in der Frühe alles tun, um sich eben nicht als Eintracht-Anhänger erkennen zu geben. Aufenthalte im ersten, zweiten, sechsten und siebten Distrikt der Stadt Marseille unterlagen schärfsten Restriktionen.
Gegen das vor vier Jahren verhängte Betretungsverbot waren die Eintracht-Verantwortlichen gerichtlich vorgegangen. Drei Jahre und drei Monate später wurde dieser Klage stattgegeben. Die Rückkehr nach Marseille vier Jahre später wird somit ein Stück weit zu einem Déjà-vu. Sportlich wäre der Glasner-Elf geholfen, wenn sie an die Leistung des ersten Kräftemessens mit Olympique anknüpfen könnte. Damals glückte im Geisterspiel ein 2:1. Torhüter Kevin Trapp, frisch aus Paris nach Frankfurt zur Eintracht zurückgekehrt, lobte nach dem Coup den „Charakter der Mannschaft. Jeder hat alles reingehauen. Ich kann nur Chapeau sagen.“
Derartiges lässt sich im September 2022 von der mittlerweile runderneuerten Mannschaft nicht sagen. Vor allem das 0:1 gegen Wolfsburg hat die Eintracht gehörig ins Straucheln gebracht. Glasners Generalabrechnung hat für Aufsehen gesorgt. Nie zuvor in seiner bisherigen Frankfurter Schaffensphase ist der Fußballlehrer derart laut und deutlich geworden. „Wir waren langsam und behäbig im Spielaufbau. Wir hatten ganz selten Tiefe im Spiel. Wir waren über außen tot. Wir waren bei Standardsituationen eine Katastrophe. Wir hatten kein Durchsetzungsvermögen.“
Glasners Kritik war von chirurgischer Schärfe. Für die angestrebte Kurskorrektur hat er vielfältige Änderungen in Aussicht gestellt. Personell will der Trainer nur Spieler aufstellen, die in der Lage sind, „90 Minuten diesen Powerfußball zu spielen, den wir spielen möchten“. Letzte Eindrücke vom Zustand seiner Mannschaft machte sich Glasner am Montag. Wie sonst auch üblich vor europäischen Einsätzen, zog es die Eintracht vor, nicht am Spielort, sondern auf dem Übungsareal an der Frankfurter Arena das Abschlusstraining zu absolvieren.
Linksverteidiger Luca Pellegrini fehlte; dafür war Kapitän Sebastian Rode wieder dabei – und lief sofort mit Makoto Hasebe vorneweg. Glasner ließ nach seiner Ankunft in Marseille durchblicken, dass vieles für eine Rückkehr zur Dreierkette spreche – mit Hasebe. Mit Rode, „der als Kapitän wieder zurück an Bord ist, will ich am Spieltag sprechen, wie viel Spielzeit er sich zutraut“.
Zwei Mal erst hat es in der Historie beider Vereine internationale Pflichtspiele zwischen Frankfurt und Marseille gegeben. Beide gewann die Eintracht. Dem 2:1 in Marseille folgte im Rückspiel ein ungefährdetes 4:0. Die Eintracht war wie im Rausch, ihr Weg in der Europa League endete erst im Halbfinale an der Londoner Stamford Bridge, wo die Mannschaft des damaligen Trainers Adi Hütter unglücklich beim FC Chelsea ausschied. Anders als die Eintracht ist Olympique 2022 in guter Champions-League-Verfassung.
Am Wochenende wurde im Ligabetrieb Lille 2:1 geschlagen. Der Ansporn, dem 0:2 im ersten Königsklassengruppenspiel bei Tottenham Hotspur den ersten Sieg folgen zu lassen, ist groß. Nicht minder groß ist die Sehnsucht der Frankfurter. Dafür aber „müssen wir uns steigern“. Auch Sportvorstand Markus Krösche fand nach dem enttäuschenden Auftritt gegen Wolfsburg klare Worte für die weitere Vorgehensweise der Eintracht. „Es war zu wenig Tempo im Spiel, wir waren zu statisch.“
Wenn es wirklich losgeht an diesem Dienstag im Stade Vélodrome, muss das Spiel der Eintracht dynamisch und druckvoll sein. „Es mangelt noch etwas an Effektivität vor dem Tor“, sagte Angreifer Randal Kolo Muani in Marseille. Als vor vier Jahren der 2:1-Sieg bei Olympique glückte, schwärmte Axel Hellmann, heute Vorstandssprecher der Eintracht: „Wir können Europa, das haben wir gezeigt.“ Die Frage jetzt lautet: Kann die Eintracht auch Champions League?
Fünf Festnahmen in Marseille vor Spiel von Frankfurt
Die Polizei in Marseille hat am Abend vor dem Champions-League-Spiel von Eintracht Frankfurt bei Olympique Marseille fünf Personen festgenommen. Das teilte die zuständige Polizeipräfektur am späten Montagabend mit. Ihren Angaben zufolge verhinderten Ordnungskräfte Zusammenstöße von Fangruppen im Zentrum der südfranzösischen Hafenstadt, wie es in einem Tweet der Behörde hieß. Im Stadion dürfen gut 3000 Anhänger der Eintracht dabei sein. In Marseille wurden Medienberichten zufolge aber auch Frankfurt-Anhänger ohne Eintrittskarten für die Partie erwartet. Nach den Ausschreitungen beim Conference-League-Spiel zwischen OGC Nizza und dem 1. FC Köln am vergangenen Donnerstag hat die Polizei-Präfektur zahlreiche Verbote für die Gäste aus Deutschland erlassen. (dpa)