Dortmund siegt in Sevilla : „Definitiv die Reaktion, die wir zeigen wollten“
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Glückliche Borussen in Sevilla: Jude Bellingham, Julian Brandt, Raphaël Guerreiro und Emre Can (von links) Bild: picture alliance/dpa
Borussia Dortmund schlägt den FC Sevilla in der Champions League deutlich. Wieso dieser Sieg so wichtig ist, warum sich der Trainer aber mit Lob zurückhält und was den BVB vor dem Bayern-Spiel schmerzt.
Die Tore zum kostbaren 4:1-Erfolg von Borussia Dortmund beim FC Sevilla hatte Edin Terzic noch ausgelassen bejubelt, der Trainer des BVB schmiss seine Arme in die Luft, blickte mit strahlendem Gesicht hinauf in den andalusischen Herbsthimmel. Viele dieser schillernden Champions-League-Nächte voller unbekannter Gesänge hat er noch nicht erlebt als Chefcoach eines großen Klubs.
Nach dem Ende des Spiels dauerte es jedoch nicht lange, bis das Misstrauen zurück war, das nicht nur Terzic gegenüber seiner Mannschaft entwickelt hat. „Wir haben ein gutes Spiel gezeigt in ganz vielen Phasen“, resümierte er, um sogleich seiner Sorge Ausdruck zu verleihen, dass dieses seltsame Ensemble schon bald wieder Siege und gute Ausgangslagen herschenkt: Es gehe darum, „die Dinge zu bestätigen“, ob das gelinge, sei „die große Frage“ dieses Dortmunder Fußballherbstes.
Die Antwort kann niemand an irgendeinem Mikrofon geben, deshalb sind Schwärmereien nach einzelnen Spielen neuerdings verpönt unter den Dortmundern, die ihre Gesamtbewertungen lieber in größeren Zusammenhängen vornehmen möchten. Der Auftritt von Sevilla taugte ohnehin nicht für abschließende Bewertungen, da die Mannschaft neben etlichen guten Szenen wieder Momente überstehen musste, in denen die alte Krankheit auszubrechen drohte.
Nach Toren von Guerreiro (6.), Bellingham (41.) und Adeyemi (43.) hatte der BVB zur Pause mit 3:0 geführt, um nach dem Anschlusstor zum 3:1 (Youssef En-Nesyri, 51.) doch wieder ernsthaft zu wanken. „Sicher war die zweite Halbzeit nicht so gut wie die erste“, sagte Julian Brandt, der das Spiel schließlich mit seinem 4:1 entschied (75.). Über die weniger guten Aspekte des Abends werde man sicher „intern“ noch ausführlicher sprechen.
BVB-Fehler in der Defensive
Aber jeder aufmerksame Zuschauer konnte selbst sehen, dass weiterhin viele Fehler bei der Defensivarbeit passieren. Nico Schlotterbeck war abermals unaufmerksam bei einer Ecke und begünstigte so das Anschlusstor der Spanier. Und die Abstimmung bei der Besetzung der Räume rund um den eigenen Strafraum funktioniert weiterhin nicht einwandfrei.
„Es war nicht alles gut heute, und wir vergessen nicht das, was am Samstag passiert ist, auch nicht mit dem Resultat heute“, sagte Terzic in Anspielung auf die schlechte zweite Halbzeit, in der das Spiel in Köln am vergangenen Wochenende verloren gegangen war. Die von einer tiefen sportlichen Krise erschütterten Spanier konnten jedoch kein Kapital aus den Dortmunder Problemen schlagen, noch am Abend entließen sie den Trainer Julen Lopetegui. Ein weniger verunsicherter Gegner hätte vermutlich mehr mit den Schwächen des BVB anzufangen gewusst.
Allerdings hatten die Dortmunder sich in jedem Fall jenseits ihrer Fehler sehr leidenschaftlich gewehrt. Torhüter Alexander Meyer hielt brillant. Jude Bellingham sowie Salih Özcan spielten mit genau der Widerstandskraft, die dem Team manchmal fehlt. Und der 17 Jahre alte Angreifer Youssoufa Moukoko hat zwar keine seiner Torchancen nutzen können, bereitete aber das 0:3 und das 1:4 vor und spielte so stark wie noch nie in der Champions League.
„Er hat sich sehr gut bewegt im Timing, um dieses körperliche Defizit auszugleichen, das er gegen groß gewachsene Innenverteidiger hat“, erklärte Terzic und lobte den Teenager dafür, „in ganz viele offensive Aktionen involviert“ gewesen zu sein. Anthony Modeste, die andere Nummer neun im Kader, war noch in keinem Spiel derart präsent seit seinem Wechsel von Köln zum BVB.
Es gab also Licht und Schatten, aber vielleicht ist es auch ein wenig vermessen, viel mehr von dieser Mannschaft zu erwarten, die offenbar auf rasche Fortschritte eines 17-Jährigen im Angriff angewiesen ist und weiterhin unter großen Verletzungssorgen leidet. Beinahe schüchtern wies Terzic darauf hin, dass sein Team dieses Auswärtsspiel gewonnen hat, obwohl „neun Jungs nicht dabei waren“. Womöglich taugt dieser Umstand als Erklärung für die Phase nach der Halbzeit, in der die Partie zu kippen drohte.
Zum großen Duell gegen den FC Bayern, der am Samstag (18.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) in Dortmund zu Gast ist, werden aber wichtige Kräfte wie Mats Hummels, Marco Reus und Gregor Kobel zurückerwartet. Es ist der große Showdown, auf den sich die ganze Fußballnation freut, dem Terzic jedoch mit gemischten Gefühlen entgegenblickt. Noch vor einer Woche konnte er darauf hoffen, das Duell mit einem satten Vorsprung gegenüber den Bayern zu beginnen und diesen bestenfalls auszubauen. Aufgrund von vermeidbaren Niederlagen in Köln und gegen Bremen ist der BVB jetzt nur noch Vierter.
Er freue sich zwar auf das Topspiel, aber „es tut trotzdem weh, weil die Ausgangslage eine andere sein könnte“, sagte der Trainer. Immerhin bleibt den Dortmundern am Samstag die Möglichkeit, mit einem Sieg einen Dreipunktevorsprung gegenüber dem ewigen Meister aus München herauszuspielen. „Wir haben heute gezeigt, was wir leisten können. Und wir werden alles geben. Wir sind immer bereit für die Bayern“, sagte Jude Bellingham.