
Dortmund gegen Monaco : Das Spiel war eine notwendige Zumutung
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Nicht lange nach dem Anschlag spielten die Dortmund wieder Fußball. Bild: AP
Keine 24 Stunden nach dem Anschlag wird die abgesagte Dortmunder Partie nachgeholt. Gibt es nichts Wichtigeres, als in solchen Momenten Fußball zu spielen? Ganz so simpel ist die Antwort nicht.
Wer auch immer am Dienstagabend Leben und Lebensfreude zerstören wollte: Er ist gescheitert. Die drei heimtückisch herbeigeführten Explosionen haben zwar den Dortmunder Spieler Marc Bartra verletzt. Und ein Metallstift bohrte sich in eine Kopfstütze des BVB-Busses. Aber dieser gemeine Terror vermochte es nicht, das arglose Bundesligateam in eine Schockstarre zu versetzen, in den Zustand der Wehrlosigkeit.
Es ist, abgesehen von der medialen Botschaft der Attentäter, das Gegenteil von dem passiert, was solche Anschläge gemeinhin auslösen sollen: Statt Chaos zu provozieren, blieb es ruhig. Statt eine Verbarrikadierung zu erreichen, luden Dortmunder Fans wildfremde Monegassen zum Essen und Schlafen ins eigene Heim ein. Statt um eine Auszeit zu bitten, stellte sich die ins Visier von mordbereiten Extremisten geratene Mannschaft des BVB dem Wettbewerb – keine 24 Stunden später. Gibt es nichts Wichtigeres, als in solchen Momenten Fußball zu spielen?
Es ist zu simpel, allein das eiskalte Geschäftsmodell des Profifußballs mit seiner pausenlos rotierenden Geldmaschine und dem Termindruck der Champions League als wesentliches Antriebsmittel für die unmittelbare Fortsetzung des Spielbetriebs in den Mittelpunkt zu rücken. Frei nach dem Motto zynischer Kaufleute des Fußballs: Hauptsache, der Ball rollt. Denn seine Bewegung dient in solchen todernsten Momenten nicht vordergründig dem Wettbewerb, wer der Bessere ist auf dem Platz. Sondern der Antwort auf die Frage des Lebens: Lassen wir uns von unsichtbaren, hinterlistigen, feigen, aber gefährlichen Menschen diktieren, wie wir uns zu verhalten haben?
Auf den Zuschauern lastete kein besonderer Druck. Sie konnten ins Stadion gehen oder daheim bleiben. Ein so im Mittelpunkt des Interesses stehendes Team wie Borussia Dortmund, geliebt vom Malocher bis hinauf zum Vorstandsvorsitzenden, ist längst nicht so frei. Warum sollte sich ein Profi, den ohrenbetäubenden Knall noch im Ohr, das Bild des verletzten Kollegen vor Augen, gleich wieder als erstbeste Zielscheibe präsentieren?
Champions League : BVB dreht gegen Monaco zu spät auf
Es wird bei Massenveranstaltungen niemals eine Schutzgarantie für die Hauptdarsteller in der Arena geben können. Gleichzeitig lastete nach der Neuansetzung durch die Uefa ein enormer Spielsystem- sowie ein Erwartungsdruck der Öffentlichkeit auf den Stars. Auch einen Gruppenzwang innerhalb eines Ensembles mit ausgeprägter Team-Hierarchie ist nicht auszuschließen. Zudem wussten die Spieler von der Wirkung ihrer Entscheidung auf die Haltung ihrer Fans, sogar auf die Stimmung in der Gesellschaft. Das haben die weltweiten Reaktionen der Menschen am Mittwoch gezeigt, die rührseligen Geschichten über Verbrüderungen unter gegnerischen Fans in Dortmund, der in sozialen Medien verbreitete Stolz von Borussia-Anhängern, dass ihr Team nicht in die Knie geht.
Unter diesen Bedingungen war die Ansetzung des Spiels eine notwendige Zumutung. Wer aus dem Kader konnte sich trotz des Angebotes, freigestellt zu werden, entziehen? Wer glaubt ernsthaft, ein Dortmunder Profi hätte eine leichte Wahl gehabt? Denn die Teilnahme an solchen Sportveranstaltungen unter Verdrängung einer nach außen wohl nicht erkennbaren Angst um das eigene Leben wird von vielen Millionen Zuschauern als ein besonderes Maß der Widerstandskraft wahrgenommen und als Signal verstanden: Lasst euch nicht beugen!