Wolfsburgs Xaver Schlager : Mister Eisenfuß, Aggressionsbeauftragter
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Wolfsburgs Mann fürs Grobe: Xaver Schlager (rechts) im Zweikampf mit Gladbachs Tobias Strobl Bild: EPA
Xaver Schlager ist beim VfL der Mann fürs Grobe. Dabei lässt sich der Mittelfeldspieler auch von einer Metallplatte und Schrauben im Fuß nicht bremsen. Doch Schlager hat auch andere Qualitäten.
Dieser tiefe Einblick in seine Patientenakte ist für ihn etwas ganz Normales. „Da ist eine Metallplatte drin. Das ist stabiler als vorher“, sagt Xaver Schlager, wenn er über seinen linken Knöchel spricht. Der Mittelfeldspieler findet es ganz normal, vier Monate nach seinem Knöchelbruch mit einem Implantat im Bein wieder harte Zweikämpfe zu bestreiten. „Zurückziehen“, findet der Österreicher, „ist das Falsche.“
Also kämpft, grätscht und schießt und trifft Schlager, als ob nie etwas gewesen wäre. Tatsächlich gleicht seine schnelle Rückkehr einem mittleren medizinischen Wunder. „Eigentlich ist das Wahnsinn“, sagt Wolfsburgs Cheftrainer Oliver Glasner. Er meint nicht das potentielle Verletzungsrisiko des zurückgekehrten Patienten, sondern dessen Bereitschaft, sich zu schinden und im Auftrag des VfL schon wieder auf die Zähne zu beißen.
Für Maximilian Arnold ist das alles ein wenig schade. Am Sonntag noch schoss er das umjubelte Wolfsburger Siegtor beim 2:1-Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach. Bisher war er für die Rolle des Wadenbeißers zuständig, der im Mittelfeld die Drecksarbeit erledigt und den Gegner entnervt. Doch Schlager, der zum 1:0 getroffen hatte, fährt ihm in die Parade.
Der Aggressionsbeauftragte des VfL Wolfsburg
Eigentlich läuft das immer so: Der extrem angriffslustige und polarisierende Arnold nimmt für sich in Anspruch, eigentlich nie für ein Foul verantwortlich gewesen zu sein, unter chronischer Benachteiligung durch den Schiedsrichter zu leiden und auch sonst völlig zu Unrecht angefeindet zu werden. Diese lange Zeit ungefährdete Rolle des Buhmanns wird ihm jetzt auf feinere Art streitig gemacht. Auch Schlager ist immer mitten in jenen Spielszenen zu finden, die schon beim Zusehen schmerzen und in denen es neben dem Ball um die mentale Hoheit auf dem Platz geht.
Der feine Unterschied ist: Der erst 22 Jahre alte Schlager bringt dabei eine Wucht und ein Tempo mit, die dem drei Jahre älteren Arnold nur bedingt vergönnt sind. Entsprechend groß ist sein Einfluss auf die Dynamik und Spielstrategie des VfL Wolfsburg. Was schon Borussia Mönchengladbach in Wolfsburg zu spüren bekam, dürfte auch der aufbegehrende FC Schalke 04 am Mittwoch (20.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Bundesliga und bei Sky) erfahren. Der heimische VfL möchte nach einer Bundesliga-Hinrunde mit Höhen und Tiefen unbedingt noch etwas bewegen. Da hilft ein Aggressionsbeauftragter wie Schlager natürlich weiter. Seine Spielart lebt davon, weder sich noch andere zu schonen.
Vor dem Duell mit Schalke ist der nur 1,74 Meter große Kämpfer gefragt worden, wie viele Schrauben eigentlich als Ergänzung zu der Metallplatte in seinem Schussbein untergebracht worden sind. „Keine Ahnung“, sagte Schlager. Erst im kommenden Jahr, wenn alles hoffentlich gut verheilt ist, muss er wieder operiert und um Metallteile erleichtert werden. Bis dahin nimmt er unangenehme Begleiterscheinungen in Kauf. „Manchmal spüre ich die Platte. Aber im Spiel bist du unter Adrenalin. Das ist dann nix“, findet der Mann mit der Rückennummer 24. Und überhaupt. Nichts gegen den am dritten Spieltag in der Partie gegen den SC Paderborn erlittenen Knöchelbruch plus einer Beschädigung diverser Bänder: Schlager hat seiner Ansicht nach schon deutlich schlimmere Verletzungen erlitten. Na dann.
Eine zentrale Rolle in Glasners System
Mit der jüngsten Integration von Schlager in die Stammelf ist beim VfL Wolfsburg eine Kurskorrektur vorgenommen worden. Die Idee von Cheftrainer Glasner, mit nur drei Abwehrspielern für Furore zu sorgen, ist einem 4-4-3-System gewichen. Und dabei spielt der im Sommer von RB Salzburg geholte Neuzugang eine zentrale Rolle. „Xaver ist ein Spieler, dessen Gedanken immer nach vorne gerichtet sind. Unser gesamtes Spiel bekommt dadurch eine Dynamik nach vorne, die uns guttut“, erklärt Glasner. Viel zu investieren und dafür auch viel zurückzubekommen – das ist eine Art von Mentalität, die dem Trainer gefällt.
Rund 15 Millionen Euro soll der VfL Wolfsburg investiert haben, um Schlager bis 2023 unter Vertrag zu nehmen. Dafür hat Glasner neben einem Landsmann genau den Spielertypus bekommen, auf den er gerne baut. Viel tun und wollen, jeden Tag dazulernen – das ist analog zum Wolfsburger Werbeclaim „Immer hungrig“ genau das, was der Trainer im Tagesgeschäft der „Wölfe“ sehen möchte. Mit herzlichen Grüßen nach Gelsenkirchen und an den Rest der Liga: Für die Gegenspieler von Arnold und vor allem von Schlager muss diese Ausrichtung nicht immer Gutes bedeuten.