VfL Wolfsburg : Der Kampf gegen den Zerfall
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Ein Bild aus der Vergangenheit: André Schürrle hat längst in Dortmund unterschrieben, Julian Draxler spielt noch in Wolfsburg. Bild: dpa
Wieder einmal steckt der Fußball-Bundesligaklub VfL Wolfsburg im Umbruch und sucht nach einer Identität: Naldo und Schürrle hat der Klub schon verloren, auch Draxler wird heftig umworben. Das Zerbröseln des Kaders hat einige Gründe.
Das ständige Jonglieren mit Namen und Nachrichten lässt Dieter Hecking ziemlich kalt. Tag für Tag wird der Trainer des VfL Wolfsburg mit bohrenden Fragen dazu belästigt, welcher Spieler ihm wohl als nächster abhandenkommen könnte. In der aktuellen Transferperiode der Fußball-Bundesliga haben mit Naldo (Schalke 04) und André Schürrle (Borussia Dortmund) schon zwei Hauptdarsteller den Niedersachsen den Rücken gekehrt.
Ohne einen Platz im internationalen Geschäft fehlt es dem ambitionierten VfL Wolfsburg an Anziehungskraft für Ausnahmekönner. „Aber von einem Umbruch kann man bisher nicht sprechen“, sagt Hecking. Er lässt in diesen Tagen im Trainingslager in Bad Ragaz (Schweiz) rennen, schwitzen und möglichen Ärger so gut wie möglich an sich abperlen.
Die Frage, was aus dem VfL Wolfsburg werden soll, lässt sich derzeit nur schwer beantworten. Geschäftsführer Klaus Allofs hat als Ziel ausgerufen, nach der missratenen Saison 2015/16 zügig in die Champions League zurückkehren zu wollen. Dass so mancher Profi schwindende Lust auf einen Verein verspürt, der vor einem Jahr noch ein Jäger des FC Bayern München und Pokalsieger war, bleibt ein offenes Geheimnis.
Stammspieler wie Ricardo Rodríguez, Luiz Gustavo und Max Kruse liebäugeln mit besseren Optionen. „Wir müssen hier keinen anketten. Dieser Verein bietet den Spielern optimale Bedingungen“, versichert Allofs. Bisher hat er Daniel Didavi (VfB Stuttgart), Yannick Gerhardt (1. FC Köln), Josip Brekalo (Dinamo Zagreb), Jeffrey Bruma (PSV Eindhoven) und Leihspieler Borja Mayoral (Real Madrid) von dieser Denkweise überzeugen können. Sie alle sind Neuzugänge, die zwar aufhorchen, aber noch nicht staunen lassen.
Das leichte Zerbröseln des Wolfsburger Kaders hat andere Gründe
Das übliche Theater um wechselwillige Profis wird in Wolfsburg mal als lästig und mal als Wertschätzung betrachtet. Rund um frühere VfL-Profis wie den Bosnier Edin Džeko, den Brasilianer Diego und den Belgier Kevin De Bruyne hatte es auch immer wieder nervige Debatten gegeben – weil sie gut und von der Konkurrenz umworben waren. Das leichte Zerbröseln des aktuellen Wolfsburger Kaders hat aber andere Gründe.
Allofs und Hecking müssen sich eingestehen, dass sie in der Vorsaison auf etwas gebaut haben, das bis auf bei umjubelten Ausnahmen in der Champions League sportlich wie menschlich wenig zusammengepasst hat. Die Folge daraus ist, dass nicht nur der Verein, sondern auch so mancher Spieler umdenkt. „Es herrscht Aufbruchstimmung in Wolfsburg“ – mit diesen ironischen Worten beschreibt das Fachmagazin „Kicker“ die Gemengelage beim VfL, die von deutlich mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen bestimmt sei.
Vielleicht wäre es eine gute Variante, wenn die Entscheider des VfL Wolfsburg künftig noch mehr auf Männer mit frischen Ambitionen setzen. Schürrle und Kruse waren auch deshalb geholt worden, weil sie bei anderen Vereinen schon einmal Erfolg hatten, einen klangvollen Namen mitbrachten und als Nationalspieler einen Hauch von Glamour versprachen. Aber in Wolfsburg haben sie ihren Karrieren innerhalb kürzester Zeit einen erheblichen Knick zugefügt. Vielleicht hat ihre Art einfach nicht zu der eines Trainers gepasst, dem ein arbeitendes Kollektiv wichtiger als ein herausragender Einzelkönner ist.
„Wir erwarten Einsatzbereitschaft und Leistung, auch wenn es mal nicht läuft. Und keine Wechselgedanken – so eine Einstellung gefällt mir nicht“, sagt Hecking. Er spricht mit dieser Aussage keinen Spieler direkt an. Aber in seinen Worten steckt eine Botschaft, die sich wohl vor allem prominente Neuzugänge zu Herzen nehmen sollen, wenn sie mit viel Tamtam und guten Absichten verpflichtet werden.
Einen Großteil der weiteren Saisonvorbereitung werden Allofs und Hecking damit verbringen dürfen, Wechselgerüchte über ihren derzeit wichtigsten Spieler zu verscheuchen. Nationalspieler Julian Draxler, vor einem Jahr vom FC Schalke 04 nach Wolfsburg gewechselt und theoretisch bis 2020 an seinen aktuellen Arbeitgeber gebunden, hat sich bei der Europameisterschaft in Frankreich gut in Szene gesetzt – und ist deshalb entsprechend stark umworben.
Der VfL möchte um Draxler herum eine Mannschaft aufbauen, die Perspektive hat, und lehnt seinen Verkauf kategorisch ab. „In dieser Hinsicht sind wir nicht gesprächsbereit. Da kann ich unsere Fans beruhigen“, versichert Allofs.
Bis Anfang August darf Draxler noch Urlaub machen und der Saisonvorbereitung fernbleiben. Im Internet sind von ihm in den Sozialen Netzwerken immer wieder mal kurze Grüße und schöne Fotos zu sehen, wie er sich zum Beispiel in Kalifornien vergnügt. Auf seinen Schnappschüssen in eigener Sache ist ein Gesicht zu sehen, das bundesweit als sehr sympathisch eingestuft wird und deshalb dem VfL Wolfsburg bloß nicht verlorengehen sollte.
Während Allofs weiter kämpft und auch pokert, bleibt Hecking nichts anderes übrig, als brav zu arbeiten und das Beste zu hoffen. So hat er es im Fall von De Bruyne im Sommer 2015 auch getan - bis dessen Verkauf an Manchester City feststand, weil dieser Verein dem Spieler einfach noch bessere Bedingungen bieten konnte.