VfB Stuttgart am Tabellenende : Jetzt bloß nicht pessimistisch werden!
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VfB-Trainer Labbadia gerät unter Druck: Vereinzelt waren „Bruno-raus“-Rufe von der Haupttribüne zu vernehmen Bild: dpa
Dem VfB Stuttgart fehlen Leidenschaft, Gier und Torgefahr bei der Heimniederlage gegen Wolfsburg. Trainer Labbadia setzt beim Tabellenletzten weiter auf gute Gespräche.
Die Trainerkabine in der Stuttgarter Fußballarena ist kein Ort für tiefschürfende Analysen. Aber zumindest bereiten der Cheftrainer des Bundesligaklubs VfB Stuttgart, Bruno Labbadia, und sein Team unmittelbar nach einem Spiel das Erlebte ein wenig auf und gehen die wichtigsten Spielszenen durch. Normalerweise.
Doch diesmal herrschte betroffenes Schweigen, wie Sportdirektor Fabian Wohlgemuth am Samstag nach dem 0:1 gegen den VfL Wolfsburg berichtete. Er ist regelmäßig bei den Besprechungen anwesend. „Wir waren alle sehr enttäuscht, deshalb hat es diesmal länger gedauert, bis wir zu den wesentlichen Momenten gekommen sind.“
Es war wenig Positives dabei. Zwar hatte der VfB mehr Ballbesitz, aber die allermeisten Zweikämpfe gewannen die Niedersachsen – was Wohlgemuth verwunderte. Im Abstiegskampf müsse man mehr Leidenschaft und Gier erwarten, sagte der 43-Jährige. „Wir waren zu zögerlich in den Zweikämpfen und hatten auch keine Überzeugung in unseren Offensivaktionen.“
Die Stuttgarter kamen in der Tat in der gesamten Begegnung durch Gil Dias und Enzo Millot nur auf zwei Schüsse, die der Wolfsburger Torhüter Koen Casteels abwehren musste. Viel zu wenig, um ein Heimspiel zu gewinnen und im Abstiegskampf Punkte zu sammeln. Die Konsequenz können sie beim VfB in der Tabelle ablesen: Sie sind auf den letzten Platz abgerutscht.
Ein Sieg in zehn Ligaspielen
Unschön sei das, gab Wohlgemuth zu. „Es ist keine Zeit für Pessimisten.“ Aber er wirkte genauso ratlos wie Labbadia. Ein weiterer Trainerwechsel in dieser Spielzeit schloss der Sportdirektor jedoch aus. Der Trainer stehe „nicht zur Debatte“ versicherte er. Labbadias Bilanz von nur einem Sieg aus zehn Ligaspielen ist das eine; das andere, dass die Darbietungen zuletzt meist besser waren als die Resultate. Doch diesmal, das sah auch Wohlgemuth so, „waren Leistung und Ergebnis zumindest fragwürdig“.
Die phasenweise vorhandene Spielfreude mit schönen Ballstafetten bewerten sie beim VfB weiter höher als das nackte Resultat, obwohl eine sichtbare Entwicklung der Mannschaft zum Besseren nicht zu erkennen ist. Der VfB tut sich nach wie vor unheimlich schwer, im Strafraum zum Torabschluss zu kommen. „Das ist ein Problem“, gibt Labbadia zu, „und lässt sich nicht wegdiskutieren.“
Es fehlt ein Mittelstürmer, der die Bälle im Strafraum annehmen, verteilen oder selbst wuchtig abschließen kann. Stuttgart hat in Serhou Guirassy so einen Profi, der ist aber seit Wochen verletzt und soll nun zu allem Überfluss zur Nationalmannschaft nach Guinea reisen. Im Moment vertritt Silas Katompa Mvumpa den 27-jährigen Guirassy. Aber der Kongolese ist kein Stoßstürmer, er fühlt sich auf dem Flügel wohler, er braucht den Raum und den Gegner vor sich, um mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung Tor dribbeln zu können.
Erschwerend kommt neben der mangelnden Torgefährlichkeit die angeschlagene Psyche hinzu. Das lässt sich an einem Phänomen erkennen, das Labbadia aus seiner eigenen Zeit als Aktiver vertraut ist. Er wisse genau, was in seinen Spielern vorgehe. Bringt er Profis von Anfang an, die sich in der Partie davor als Einwechselspieler hervorgetan hatten und sogar ein Tor erzielten, spielen sie plötzlich so verzagt wie der Rest. Labbadia erklärte es so: Die B-Mannschaft habe im Training weniger Druck als das A-Team, „weil sie davon ausgeht, nicht zu spielen“. Wohlgemuth sieht nach dem Spiel gegen Wolfsburg viele offene Fragen, die jetzt mit harter Arbeit mit und an der Mannschaft beantwortet werden müssten. Labbadia will an Bewährtem festhalten. So wie er es schon die ganze Zeit gemacht habe: „Mit vielen Einzel- und Gruppengesprächen.“
Das Publikum in Stuttgart wird genau beobachten, ob er damit Erfolg haben wird. Nach dem Schlusspfiff verabschiedete es die VfB-Spieler mit einem schrillen Pfeifkonzert. Vereinzelt waren „Bruno-raus“-Rufe von der Haupttribüne zu vernehmen. Sogar die treuesten Fans in der Cannstatter Kurve schrien, als sich ihre Lieblingsspieler nach Spielende näherten, „Aufwachen!“ Sportdirektor Wohlgemuth verhehlte nicht, dass er dafür Verständnis hatte. „Nach so einem Spiel haben sie nicht Unrecht.“